Nordkoreanischer Machthaber Geheimdienste stoßen bei Kim Jong Un an ihre Grenzen

Seoul · Die Spekulationen über Kims Gesundheitszustand wachsen und wachsen. China und Südkorea halten sich bedeckt. Wenn es einen wahren Kern an den Gerüchten um seine Verfassung gibt, wie groß ist er dann?

 Der nordkoreanische Machthaber Kim Jong un (undatiertes Foto).

Der nordkoreanische Machthaber Kim Jong un (undatiertes Foto).

Foto: AP/朝鮮通信社

Wie es um Kim Jong Uns Gesundheit steht, ist nicht nur für Nordkorea relevant - sondern auch für Nordostasien und die ganze Welt. Seit mehr als zwei Wochen ist der nordkoreanische Machthaber nicht mehr in der Öffentlichkeit aufgetreten. Das hat Spekulationen über seinen Gesundheitszustand befeuert - hat er doch Übergewicht und ist Berichten nach starker Raucher. Eine Krankheit oder gar sein Tod könnten die Stabilität der Regierung in Pjöngjang gefährden - und die Atomwaffen unsicherer machen, mit denen Nordkorea mehrfach seine Nachbarn und die USA bedroht hat.

Südkoreanische Geheimdienstinformationen und Meldungen aus den nordkoreanischen Staatsmedien legen nahe, dass Kim einen gesundheitlichen Rückschlag erlitten hat, wie der Forscher Du Hyeogn Cha von der Seouler Denkfabrik Asan Institute for Policy Studies sagt. Dass Kim in Lebensgefahr schwebe, scheine aber unwahrscheinlich.

Kim wurde zuletzt am 11. April gesehen, als er vor Funktionären über Präventionsmaßnahmen zum neuen Coronavirus sprach und seine Schwester als alternatives Mitglied in das Politbüro der Arbeiterpartei gewählt wurde. Gerüchte kamen auf, nachdem er am 15. April die Feier zu Ehren seines verstorbenen Großvaters, des Staatsgründers Kim Il Sung, verpasste. Der Tag ist der wichtigste Feiertag in Nordkorea.

Die Staatsmedien meldeten seither, Kim habe Grüße nach Syrien, Kuba und Südafrika geschickt. Am Montag schrieb die staatliche Zeitung „Rodung Sinmun“, Kim habe eine Dankesbotschaft an Arbeiter gesendet, die in der Küstenstadt Wonsan Touristenanlagen bauen. Dass Kim sich dort aufhält, ist spekuliert worden. Fotos von ihm wurden nicht veröffentlicht.

Bei den Informationen von Geheimdiensten und Medien ist eine Frage unumgänglich: Was von den Gerüchten ist wirklich wahr?

Seit Jahrzehnten haben Geheimdienste des Auslands Probleme, belastbare Informationen aus dem Land zu bekommen. Nordkorea hat sich abgeschottet - ist vielleicht das verschwiegendste und misstrauischste Land der Welt. Darüber hinaus gibt es vermutlich nichts, was das Land mehr hegen würde als Informationen über Kims Gesundheit. Vermutlich würde nur ein kleiner Kreis der Elite des Landes Bescheid wissen, darunter etwa seine Schwester Kim Yo Jong.

Aber nicht nur Nordkoreas Verschlossenheit ist ein Problem für das Gewinnen von Informationen. Südkoreas Geheimdienst ist schwach aufgestellt. „Auch nach jahrzehntelanger Arbeit muss Südkorea noch immer ein vertrauenswürdiges Geheimdienstnetzwerk über den Norden aufbauen“, beklagt Forscher Cha, der unter Ex-Präsident Lee Myung Bak für Geheimdienstfragen zuständig war. Zwar habe die jetzige Regierung Informationen über Nordkorea, aber nicht genug, um sicher sagen zu können, wo der Machthaber sich aufhält und ob er ganz gesund ist. Der südkoreanische Nationale Geheimdienst hat erklärt, nicht bestätigen zu können, ob Kim eine Operation hatte.

Unterstützer der aktuellen liberalen Regierung haben den zuvor zehn Jahre regierenden Konservativen vorgeworfen, deren harte Linie gegen Nordkorea habe Spionen vertrauenswürdige Informationsquellen genommen. Südkoreas Konservative hatten alle diplomatischen Verbindungen zum Norden abgebrochen, ebenso die Zusammenarbeit auf wirtschaftlicher Ebene und auch die Arbeit von Hilfsorganisationen wurde eingestellt. Die Liberalen dagegen sind um innerkoreanische Beziehungen bemüht. Das wiederum machen die Konservativen ihnen zum Vorwurf: Die Liberalen hätten im Zuge ihres diplomatischen Ansatzes Spionage-Operationen gekürzt. Und es sei schwierig gewesen, die Netzwerke wieder aufzubauen.

Unbestätigte Medienberichte, Kim sei nach einer Herz-Operation in schlechtem Zustand, hat Seoul heruntergespielt. Es seien keine ungewöhnlichen Aktivitäten in Nordkorea entdeckt worden, ebenso wenig Notfallvorbereitungen etwa in der regierenden Arbeiterpartei, im Kabinett oder im Militär. Kim gehe seinen Aufgaben normal nach, an einem Ort außerhalb der Hauptstadt Pjöngjang.

US-Präsident Donald Trump sagte am Montag, er habe eine „gute Ahnung“, was Kims Gesundheit angehe. Darüber könne er aber nicht sprechen und er wünsche ihm alles Gute. Mehr werde die Öffentlichkeit „wahrscheinlich in nicht allzu ferner Zukunft hören“.

Manche Experten empfehlen Südkorea, dessen Nachbarn und den USA bereits, sich auf eine unsichere Lage auf höchster nordkoreanischer Regierungsebene vorzubereiten. Instabilität könne es geben, wenn Kim durch Gesundheitsprobleme außer Gefecht gesetzt werde oder gar sterbe. Etwaige Szenarien sind laut Experten: massive Flüchtlingsbewegungen nach Südkorea oder China, oder dass Hardliner im Militär das Atomwaffenarsenal des Landes starten.

Pläne für solche Worst-Case-Szenarien seien extrem wichtig, sagt der Nordkorea-Experte Nam Sung Wook von der Korea University in Seoul. Die Situation könne sich zur „Achillesferse“ der internationalen Politik in Nordostasien entwickeln, warnte er. Möglicherweise erscheine Kim bald wieder in der Öffentlichkeit und sei wohlauf. „Aber in Anbetracht seines Gewichts und seines schlechter werdenden Zustands werden die Risiken mit steigendem Alter stark zunehmen.“

(ala/dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort