Kalifornien Ermittler werfen Eltern jahrelange Folter ihrer Kinder vor

Los Angeles · Nach dem Schock über die Zustände in dem Haus in Kalifornien hat die strafrechtliche Aufarbeitung begonnen. Das Ehepaar, das seine 13 Kinder gefangen gehalten haben soll, wird wegen zahlreicher Vergehen angeklagt. Die Großeltern geben sich ahnungslos.

 In diesem unscheinbaren Haus waren die 13 Menschen eingesperrt (Archiv).

In diesem unscheinbaren Haus waren die 13 Menschen eingesperrt (Archiv).

Foto: dpa, julie rogers hjb

Nach der Entdeckung von 13 unterernährten und gefesselten Kindern und jungen Erwachsenen in einem kalifornischen Haus sind deren Eltern der jahrelangen Folter beschuldigt worden. Der Bezirksstaatsanwalt von Riverside County, Mike Hestrin, warf dem 57-jährigen Vater und der 49 Jahre alten Mutter am Donnerstag "schweren emotionalen, physischen Missbrauch" vor. "Das ist verkommenes Verhalten."

Die Staatsanwälte formulierten Anklagepunkte über zwölf Fälle von Folter, sieben Fälle von Missbrauch abhängiger Erwachsener, sechs Fälle von Kindesmissbrauch und zwölffacher Freiheitsberaubung. Dem Vater wird überdies unzüchtiges Verhalten gegenüber einem Kind vorgeworfen.

"Sie waren wie eine normale Familie"

Die 13 Opfer sind zwischen zwei und 29 Jahre alt. Die Straftaten sollen in Riverside County seit 2010 begangen worden sein. Nachbarn haben nach eigenen Angaben nichts gemerkt, und auch die Großeltern, die die Familie vor sechs Jahren besuchten, gaben sich ahnungslos. "Sie waren wie eine normale Familie", sagte die 81-jährige Mutter des Vaters, die mit ihrem Mann in West Virginia wohnt. Ihr Sohn habe gesagt, er habe so viele Kinder, weil Gott das so gewollt habe. Er habe wie sie zur Pfingstkirche gehört, habe aber in Kalifornien aktiv keiner Kirche angehört.

Hestrin sagte, die Vorwürfe der Folter und Freiheitsberaubung bezögen sich nicht auf das zweijährige Kind. Die anderen Kinder seien als Strafe an Möbel in dem übelriechenden Haus gekettet worden. Den Kindern sei es nur einmal im Jahr erlaubt gewesen, zu duschen. Von außen habe das Haus ganz normal ausgesehen und die Polizei gab an, nie wegen irgend eines Vorfalls dorthin gerufen worden zu sein.

17-Jährige konnte fliehen

Die Leidenszeit der 13 jungen Menschen kam ans Licht, nachdem es am Sonntag einer 17-jährigen Tochter gelang, aus dem Haus zu fliehen und mit einem Handy die Notrufzentrale zu erreichen. Hestrin sagte, eine Schwester habe die 17-jährige am Anfang der Flucht begleitet, sei dann aber aus Angst umgekehrt. Alle 13 Opfer seien unterernährt, einige hätten deswegen Wahrnehmungsprobleme und seien unterentwickelt. Eine 29-jährige Frau habe nicht einmal 40 Kilogramm gewogen.

Unklar war weiterhin, was die Eltern dazu brachte, ihre Kinder so grausam zu behandeln. Psychologen sagten, es sei nicht ungewöhnlich, dass Menschen unter Leid und Entbehrung aus einem Gefühl der Hilflosigkeit und Verwirrung bei ihren Peinigern ausharrten, selbst wenn sich Fluchtmöglichkeiten böten.

"Eine ganze Familie unter Kontrolle"

"Das passiert ständig. Die Zahl der Individuen, die sofort eine Chance zur Flucht ergreifen würden, ist klein im Vergleich zu denen, die angesichts von Lähmung, Unsicherheit und Verwirrung nicht wissen, was sie tun sollen", sagte der Psychiater und Spezialist für traumatisierte Kinder, Bruce Perry. Dass die 17-Jährige nach vermutlich mehreren Versuchen entkommen sei, sei bemerkenswert. "Die Macht, die ausgeübt worden ist, um eine ganze Familie wie diese solange unter Kontrolle zu halten, muss sehr raffiniert gewesen sein."

Die Zustände in dem Haus waren auch deshalb nicht aufgefallen, weil die Eltern den Behörden erklärt hatten, sie unterrichteten ihre Kinder privat.

(wer)
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