Attentat in Afghanistan Islamischer Staat bekennt sich zu Angriff in Hochzeitshalle in Kabul

Kabul · Hochzeiten sind die seltenen Anlässe für Feiern im Alltag des kriegszerrissenen Afghanistans. Bei einer großen Hochzeitsfeier in der Hauptstadt Kabul zündet ein Selbstmordattentäter mitten in der Menge seine Sprengstoffweste. Die Bilder sind schrecklich.

 Ein afghanischer Soldat inspiziert nach einer Explosion die zerstörte Hochzeitshalle "Dubai City".

Ein afghanischer Soldat inspiziert nach einer Explosion die zerstörte Hochzeitshalle "Dubai City".

Foto: dpa/Rafiq Maqbool

Der verheerendste Anschlag seit Jahresbeginn hat in Afghanistan Schock und Wut ausgelöst. Inmitten einer Hochzeitsgesellschaft sprengte sich ein Selbstmordattentäter in der Hauptstadt Kabul in die Luft und riss dabei mindestens 63 Menschen in den Tod. Mindestens 182 weitere Menschen seien bei dem Anschlag im Südwesten der Stadt am Samstagabend verletzt worden, teilte der Sprecher des Innenministeriums, Nasrat Rahimi, am Sonntagmorgen über Whatsapp mit. Unter den Opfern seien auch Frauen und Kinder. Noch in der Nacht über sozialen Medien geteilte Videos zeigten verzweifelte Menschen vor der Hochzeitshalle, die Familienmitglieder vermissten.

Zu dem Anschlag bekannte sich die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). In einer am Sonntag über das Internet verbreiteten Nachricht hieß es, ein Selbstmordattentäter habe bei einer Versammlung von „Häretikern“ - also Abweichlern - eine Sprengstoffweste gezündet. Nach UN-Angaben handelte es sich um eine Hochzeitsfeier von Schiiten, rund 1000 Menschen seien anwesend gewesen. Die sunnitische Terrormiliz IS hat in der Vergangenheit in Afghanistan immer wieder Schiiten angegriffen, die sie als Ungläubige betrachtet.

Nach Angaben von Rahimi ereignete sich die Explosion kurz vor 23.00 Uhr (Ortszeit) in der Hochzeitshalle „Dubai“. Bei Hochzeiten in Kabul feiern Männer und Frauen in getrennten Räumen. Zumeist sind Hunderte Gäste geladen. Üblicherweise wird das Abendessen erst nach 22 Uhr serviert.

Bilder aus der Hochzeitshalle zeigten liegende leblose Körper, die teils auf blutbefleckten weißen Stühlen, teils am Boden lagen. Auf den Tischen standen noch volle Teller mit Essen und Getränkedosen. Ein Augenzeuge sagte der „New York Times“, alle Mitglieder der Musikband seien durch die Explosion von der Bühne gerissen worden.

Der lokale TV-Sender ToloNews veröffentlichte am Sonntagvormittag ein Bild von Männern, die Gräber für 15 Mitglieder einer Familie aushoben. In muslimischen Ländern müssen Tote in der Regel binnen eines Tages begraben werden.

Viele Afghanen waren über den Anschlag entsetzt. „Das zerreißt mir das Herz“, schrieb der Künstler Omaid Scharifi auf Twitter. „Wie ist das zu rechtfertigen?! Was ist unsere Schuld?!“

Ein Angestellter eines Mobiltelefonladens, der Freunde in dem Anschlag verlor, war wütend, dass die zahlreichen Sicherheitskräfte in der Hauptstadt derartige Angriffe nicht verhindern könnten. „Wir haben keine Regierung in diesem Land, wir haben nichts!“, sagte er.

Präsident Aschraf Ghani drückte den Familien der Getöteten sein tiefstes Mitgefühl aus. Er berief eine Sondersitzung der Sicherheitsbehörden ein und sagte eine für Sonntag in Kabul geplante Wahlkampfveranstaltung ab. Ende September soll die Präsidentschaftswahl stattfinden.

Die UN-Mission in Afghanistan (Unama) verurteilte den Anschlag. Ein bewusster Angriff auf die Zivilbevölkerung sei „empörend und zutiefst beunruhigend“, sagte Tadamichi Yamamoto, der Sonderbeauftragte des UN-Generalsekretärs für Afghanistan. Der Angriff könne nur als feige Tat des Terrors bezeichnet werden.

Der deutsche Botschafter in Afghanistan, Peter Prügel, schrieb auf Twitter, er sei „zutiefst schockiert“ über den Angriff auf Zivilisten, die versuchten, im kriegszerrissenen Afghanistan eine gewisse Normalität zu leben. „Das ist mehr als Terror, das ist einfach verrückt!“ Der deutsche Afghanistan-Sonderbeauftragte Markus Potzel twitterte: „Das ist völlig krank und unmenschlich. Es muss sofort aufhören.“ Er forderte alle Beteiligten dazu auf, ihre Bemühungen um Frieden in Afghanistan zu verstärken.

Auch der Iran verurteilte den Anschlag aufs Schärfste. „Das war eine abscheuliche Tat von Feinden der Menschheit, die in Afghanistan keinen Frieden und Wohlstand sehen wollen“, sagte Außenamtssprecher Abbas Mussawi am Sonntag in Teheran. Die Gedanken der iranischen Regierung seien bei den Familien der Opfer, so der Sprecher nach Angaben des Webportals des Außenministeriums.

Die Hochzeitshalle liegt an der Dar-ul-Aman-Straße, die für den afghanischen Unabhängigkeitstag an diesem Montag nachts feierlich beleuchtet wird. In den vergangenen Wochen war ganz Kabul für die Feier geschmückt worden, über viele Straßen wurden Afghanistan-Fahnen gehängt. Noch am Sonntag arbeiteten Hunderte Männer unweit des Anschlagsorts am Königspalast, der am Montag nach mehr als drei Jahren Renovierung wiedereröffnet werden sollte. Ob die Feiern zum Unabhängigkeitstag wie geplant stattfinden, war zunächst unklar.

Der Anschlag auf die Hochzeitshalle war der 17. größere Angriff in der Hauptstadt Kabul seit Januar. Bei den vorherigen 16 wurden nach Behördenangaben mindestens 113 Menschen getötet und mehr als 700 verletzt. Zu den Angriffen hatten sich zum Teil die Taliban, zum Teil die Terrormiliz Islamischer Staat bekannt.

Bei einem weiteren Zwischenfall im Norden des Landes wurden am Sonntag zudem mehrere Zivilisten bei der Explosion einer am Straßenrand versteckten Bombe in der Provinz Balch getötet. Zwischen zehn und zwölf Menschen seien dabei ums Leben gekommen, darunter Frauen und Kinder, sagte ein Sprecher der Polizei, Adil Schah Adil.

Die selbstgebauten Bomben werden häufig von radikalislamischen Taliban-Kämpfern gelegt, um afghanische Sicherheitskräfte anzugreifen oder Truppenbewegungen zu behindern. Zahlen der Vereinten Nationen zufolge ist die Zahl ziviler Opfer durch den Einsatz solcher Sprengfallen in Afghanistan zuletzt gestiegen.

Seit Juli vergangenen Jahres sprechen die USA mit hochrangigen Vertretern der Taliban über eine politische Lösung des langjährigen Konflikts. Dabei geht es vor allem um Truppenabzüge und Garantien der Taliban, dass Afghanistan kein sicherer Hafen für Terroristen wird. Beide Seiten hatten sich jüngst optimistisch gezeigt, bald zu einer Einigung zu kommen. Viele Afghanen befürchten jedoch, dass die Gewalt durch IS-Anschläge im Land weiter andauern könnte.

(zim/dpa)
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