„Ungewöhnlich eifriger Kontrolleur“ Italienischer Zugschaffner wird gekündigt, weil er zu viele Bußgelder verteilt hat

Rom · Francesco Bonanno ist Zugführer bei der italienischen Eisenbahn. 2017 kündigte ihm sein Arbeitgeber Trenitalia – weil er es schlicht zu ernst genommen hatte mit der Fahrkartenkontrolle. Bonanno zog vor daraufhin Gericht. Nun steht fest: Er muss wieder eingestellt werden.

Symbolbild: In seiner gesamten Laufbahn hatte es der Schaffner auf etwa 5000 ausgestellte Bußgeldbescheide gebracht.

Symbolbild: In seiner gesamten Laufbahn hatte es der Schaffner auf etwa 5000 ausgestellte Bußgeldbescheide gebracht.

Foto: dpa-tmn/Verena Wolff

Was ist so faszinierend an den Italienern und Italienerinnen? Unter anderem, dass sie ein entspanntes Verhältnis zu Regeln haben. Eine rote Ampel in Rom wird oft schlicht als Empfehlung empfunden. Die Helmpflicht auf dem Motorroller steht zwar Schwarz auf Weiß in der Straßenverkehrsordnung und gilt auch für Neapel, sie wird dort aber kaum befolgt und so gut wie nie sanktioniert. Auch Pünktlichkeit ist gemeinhin keine italienische Tugend, was den Vorteil bringt, auch mal ungestresst zu einer Verabredung einzutrudeln. Was aber, wenn nordische Strenge und südländisches Laissez-faire aufeinander treffen? Es kommt zum Konflikt oder zumindest zu verständnislosem Kopfschütteln.

Besondere Reibereien gibt es in den Fällen, in denen die Regeln des Zusammenlebens von Italienern selbst besonders strikt ausgelegt werden. Der Bonus, da handelte es sich eben um einen Menschen aus einem fremden Kulturkreis, weshalb ein anderes Regelverständnis zwar nicht zu begrüßen, aber nachzuvollziehen ist, greift nicht mehr. Man hat es in diesen Fällen mit einem Kurzschluss im System zu tun. Der derzeit bekannteste Fall dieser Art in Italien trägt den Namen Francesco Bonanno. Er ist 61 Jahre alt und Zugführer bei der italienischen Eisenbahn. 2017 kündigte ihm sein Arbeitgeber Trenitalia, weil er es schlicht zu ernst genommen hatte mit der Fahrkartenkontrolle.

In seiner gesamten Laufbahn hatte es Bonanno auf etwa 5000 ausgestellte Bußgeldbescheide gebracht. Alleine in den Jahren 2014 bis 2016 soll Bonanno 175 solcher Geldstrafen erteilt haben, deren Härte allerdings als überzogen angesehen wurde. Es folgte die Kündigung aus „triftigem Grund“. Einige Fahrgäste, die Bonanno im Zug begegnet waren, bezahlten für ihr Fahren ohne gültiges Ticket mehr als notwendig. Die Betroffenen protestierten. Trenitalia, nicht gerade beliebt im Land, befürchtete einen „unabsehbaren Imageschaden“. Das Unternehmen behauptete, dass die Bußgelder zu Einnahmeausfällen in Höhe von 9800 Euro geführt hätten, weil „der Zugbegleiter wiederholt und vorsätzlich unter Missachtung der Eisenbahnvorschriften nach Belieben Fahrpreise oder Strafgelder angewandt hat“. Bonanno, so hieß es, habe außerdem unrechtmäßig 415 Euro an Prämien für Fahrkartenkontrolleure kassiert.

Symbol.

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Foto: ddp

Nachdem ihm gekündigt wurde, ging Bonanno vor Gericht. Die 175 Bußgeldbescheide stellten nur 3,5 Prozent der von ihm insgesamt ausgestellten Strafen dar. Die Arbeitsrichter gaben ihm Recht. Vor Tagen entschied nun auch der Oberste Gerichtshof in Rom, dass Bonanno wieder eingestellt werden müsse. In ihrem Urteil schrieben die Kassationsrichter nun, bei Bonanno handelte es sich um einen „ungewöhnlich eifrigen Kontrolleur, unflexibel und äußerst gewissenhaft bei der Erhebung von Geldbußen“, er sei ein Beamter mit „eifriger Unnachgiebigkeit“. Weder habe der 61-Jährige „in böser Absicht gegenüber dem Unternehmen“ noch „zum alleinigen Zweck der Gewinnerzielung“ gehandelt. Die ihm in einigen Fällen unterlaufenen Fehler seien die „indirekte Auswirkung seines Übereifers“.

Für den Zugführer ist die Entscheidung „das Ende eines Albtraums“. „Ich liebe diese Arbeit“, sagte Bonanno nun dem Corriere della Sera. Er stamme aus einer Eisenbahnerfamilie und habe schon als Kind davon geträumt, den ganzen Tag in den Waggons auf und ab zu fahren. Seine Strenge beschreibt Bonanno als „eine Frage der Zivilisation“. Die meisten Fahrgäste stünden auf seiner Seite. „Sie können es nicht ertragen, dass es Menschen gibt, die den gleichen Service genießen, ohne einen Cent zu bezahlen.“ Die Frage, warum ausgerechnet Bonanno es so ernst mit der Regelauslegung in italienischen Zügen nimmt, lässt sich vielleicht durch ein biographisches Detail erklären. Bonanno stammt aus Sizilien, lebt aber in Jesolo bei Venedig. Die südliche Lässigkeit ist bei ihm förmlich auf der Strecke geblieben.

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