Weltweites Entsetzen Islamisten zerstören Weltkulturerbe in Mali

Bamako · Afrikanische Islamisten haben damit begonnen, jahrhundertelate Grabstätten in der Welterbestadt Timbuktu systematisch zu zerstören. Die Kämpfer sind mit Schaufeln und Spitzhacken unterwegs, berichten Augenzeugen. Die Unesco spricht von einer "tragischen Nachricht".

 Islamisten der Gruppe Ansar Dine liefern sich in Mali heftige Kämpfe mit den Tuareg.

Islamisten der Gruppe Ansar Dine liefern sich in Mali heftige Kämpfe mit den Tuareg.

Foto: afp, ROMARIC OLLO HIEN

Nach Angaben der Unesco und von Augenzeugen verwüsteten Mitglieder der Gruppe Ansar Dine am Samstag drei Mausoleen islamischer Heiliger. Die UN-Kulturorganisation unterbrach ihre Sitzung in St. Petersburg, bei der sie neue Welterbestätten auswählte, und sprach von einer "tragischen Nachricht".

 Die Aufnahme vom 2. Mai zeigt das islamische Zentrum und eine Moschee in Timbuktu.

Die Aufnahme vom 2. Mai zeigt das islamische Zentrum und eine Moschee in Timbuktu.

Foto: afp, HABIB KOUYATE

"Das sind tragische Nachrichten für uns alle", erklärte die Vorsitzende des UNESCO-Exekutivkomitees, Alissandra Cummins. UNESCO-Generaldirektorin Irina Bokowa teilte in einer Erklärung mit, sie könne bestätigen, dass Ansar Dine bereits drei Heiligengräber zerstört habe. Es gebe "keine Rechtfertigung für so eine mutwillige Zerstörung".

Laut Augenzeugen zerstörten die Islamisten binnen weniger Stunden die Grabstätten der Heiligen Sidi Mahmud, Sidi Moctar und Alpha Moya und zogen anschließend in Richtung weiterer Mausoleen weiter. Die teils bewaffneten Kämpfer seien mit Spitzhacken und Meißeln vorgegangen und hätten "Gott ist groß" gerufen. Einem Zeugen zufolge boten die Islamisten örtlichen Maurern Geld für die Unterstützung der Aktion an, doch die Arbeiter hätten sich geweigert.

Die Islamisten reagierten mit der Zerstörung nach eigenen Angaben auf die Entscheidung des Welterbekomitees vom Donnerstag, Timbuktu wegen des bewaffneten Konflikts in Mali auf die Liste des gefährdeten Welterbes zu setzen.Die Nachbarstaaten Malis sollten alles tun, um den Raub kultureller Gegenstände wie wertvolle alte Manuskripte durch "skrupellose Schmuggler" zu verhindern, hatte die Unesco mitgeteilt.

Das rund tausend Kilometer nördlich von Malis Hauptstadt Bamako gelegene Timbuktu am Rande der Sahara wird auch "Perle der Wüste" genannt und zählt seit 1988 zum Weltkulturerbe. Die zwischen dem 11. und 12. Jahrhundert von Tuareg-Stämmen gegründete Stadt war ein geistiges Zentrum des Islam und beherbergt tausende historische Manuskripte. Neben drei großen Moscheen gehören 16 Friedhöfe und Mausoleen zum Weltkulturerbe - eines dieser Mausoleen wurde bereits Anfang Mai von Islamisten zerstört.

Zudem zählt auch das Grab von Askia zum Weltkulturerbe von Mali. Der 1495 errichtete pyramidenartige Monumentalbau aus Lehm befindet sich in der südlich von Timbuktu gelegenen Stadt Gao, die bereits Schauplatz heftiger Kämpfe zwischen Islamisten und Tuarag-Kämpfern war.

Ansar-Dine-Sprecher Sanda Ould Boumana sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Gruppe wolle noch am Samstag "ohne Ausnahme jedes Mausoleum in der Stadt zerstören". Dies sei ein Auftrag "im Namen Gottes". "Wir sind alle Muslime. Was ist die Unesco?", sagte Boumana.

Die Regierung in Malis Hauptstadt Bamako verurteilte das Vorgehen als "Kriegsverbrechen" und kündigte "nationale und internationale Schritte" an, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Die Taten hätten "nichts mit dem Islam zu tun".

Nach einem Militärputsch im März war es Tuareg-Rebellen und islamistischen Gruppierungen gelungen, den gesamten Norden Malis unter ihre Kontrolle zu bringen, darunter Timbuktu und Gao. Beide Städte waren zuletzt Schauplatz heftiger Kämpfe zwischen Islamisten und Tuareg-Kämpfern.

Angesichts des Machtzuwachses für die Islamisten in Nordmali rief die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) den UN-Sicherheitsrat auf, mit einer Resolution die Entsendung einer regionalen Eingreiftruppe nach Mali zu unterstützen.

(AFP)
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