Verzweifeltes Hoffen der Angehörigen Indien: Familien in Minuten auseinander gerissen

Cuddalore/Indien (rpo). Für eine indische Hochzeit war die Halle eigentlich geschmückt. Doch in wenigen Minuten veränderte die Flut das Leben in Cuddalore völlig. Jetzt sitzen in der Ecke der Halle Erwachsene von Wunden gezeichnet auf dem Boden. Ihre Augen sind vom Weinen verquollen. Denn sie tragen schwere Last.

Der zwölfjährige Shaikh Subhani wurde von seinen Nachbarn gerettet. Seine Mutter Basheera und seine Schwester Nazeera ertranken. "Ich habe meinen Vater erst vor sechs Monaten verloren, nur meine Mutter hat sich noch um mich kümmern können", sagt er mit Tränen in den Augen. "Jetzt bin ich ganz alleine. Allah hätte mich auch holen sollen."

Angehörige, Häuser, Boote - alles, was sie besaßen - wurde in wenigen Minuten ausgelöscht. In Indien kamen rund 2.300 Menschen in der Flutwelle nach dem Seebeben vom Sonntag ums Leben, die Zahl könnte noch steigen.

Im Bezirk Cuddalore im Unionsstaat Tamil Nadu, der am schlimmsten von den Verwüstungen heimgesucht wurde, finden rund 22.000 Überlebende aus 45 Fischerdörfern Zuflucht in Regierungsgebäuden, einem Gefängnis und Veranstaltungsräumen, die normalerweise von Hochzeitsgesellschaften genutzt werden. Die Glücklicheren unter ihnen haben Bettlaken, die sie auf dem Fußboden ausbreiten können. Andere schlafen auf dem nackten Beton.

Hilfskräfte bringen Lebensmittel in die Region. "Ich erwarte, dass sich mindestens 2.000 Verletzte hier behandeln lassen", sagt der Leiter des Allgemeinen Krankenhauses von Cuddalore, S. Narayanswamy. "Wir haben ausreichend medizinische Vorräte."

Keine Nachricht vom Ehemann

Am Sonntag wartete Ananda Selvi zum Zeitpunkt der Katastrophe auf ihren Mann. Sudhakar Selvi war morgens zum Fischen aufgebrochen. "Ich wusste nicht, ob ich weiter auf dem Meer Ausschau nach meinem Mann halten sollte, oder ob ich wegrennen und mich selbst retten sollte", sagt die 30-Jährige. "Dann bin ich gerannt und gerannt und gerannt, und jetzt bin ich hier und ohne jede Nachricht von ihm."

In Intervallen sind Sirenen von Feuerwehrautos zu hören. Wo das Wasser auf den Strand traf, liegen zerbrochene Boote, aus dem Boden ragende Bambusrahmen sind die einzigen Überreste zertrümmerter Hütten. "Wir sind in alle Richtungen gerannt", sagt Tamilarasi, eine 47-Jährige, deren Augen vom Weinen rot und geschwollen sind. Sie hat fünf Angehörige verloren, darunter einen Enkel, und ein Boot. "Als die Wellen zurückgingen, wurden einige Menschen ins Meer gezogen", sagt sie. "Andere rannten weg. Einige kletterten auf Kokospalmen. Ich griff zwei Kinder, die neben mir standen, und rannte los. Als wir auf dem Trockenen waren, stellten wir fest, dass einige von uns fehlten."

In Andhra Pradesh, dem nördlich angrenzenden Unionsstaat, spülten baumhohe Flutwellen Fischerboote fort. 810 Fischer werden dort nach offiziellen Angaben vermisst. "Die Armen - Fischer oder die Arbeiter in den Salinen - wurden am schlimmsten getroffen", sagt Chefminister Y. Rajashekhar Reddy.

(ap)
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