Urteil im Fall Trayvon Martin wühlt das Land auf In den USA wächst die Angst vor der Gewalt

Sanford · Die Wut nach dem Freispruch im Prozess um den gewaltsamen Tod von Trayvon Martin ist überall zu spüren. In mehreren Städten der USA versammeln sich spontan Menschen, welche die Erschießung des schwarzen Jugendlichen durch den Nachbarschaftswächter George Zimmerman und deren Rechtfertigung durch ein Geschworenengericht in Florida für einen weiteren Auswuchs des Rassismus gegenüber Schwarzen halten.

Gewaltausbruch im Fall Trayvon Martin
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Bürgerrechtler wie Jesse Jackson sehen sich gezwungen, zur Ruhe aufzurufen. Zu präsent sind etwa noch die Erinnerungen an die Krawalle nach der Misshandlung des Schwarzen Rodney King Anfang der 90er Jahre.

Nachdem Richterin Deborah Nelson am Samstag das Urteil der Jury bestätigt, wonach Zimmerman nicht des Totschlags an Martin schuldig ist, macht sich Fassungslosigkeit unter den Demonstranten vor dem Gericht in Sanford breit. "Dies ist das Ende unseres Rechtssystems. Die Justiz ist nicht gleich für alle", sagt der 20-jährige Ashton Summer aus Puerto Rico. Mit ihm hatten sich mehrere hundert Menschen aus Solidarität mit Martin vor dem Gerichtsgebäude versammelt.

Sogar Obama schaltete sich ein

Der 17-Jährige war am 26. Februar 2012 von Zimmerman erschossen worden, als dieser nach einer Reihe von Einbrüchen einen Patrouillengang in Sanford machte. Martin war unbewaffnet. Zimmerman beteuerte aber, der Jugendliche habe ihn angegriffen, er habe aus Notwehr geschossen. Die Polizei hatte Zimmerman nach dem Vorfall zunächst laufen lassen, da in Florida ein besonders ausgeprägtes Recht auf Selbstverteidigung mit Schusswaffen gilt.

Der Fall war in den USA wochenlang diskutiert worden. Auch Barack Obama schaltete sich ein. "Wenn ich einen Sohn hätte, sähe er Trayvon ähnlich", sagte der erste schwarze US-Präsident. Martins Eltern werfen den Behörden vor, nicht angemessen ermittelt zu haben, weil ihr Sohn schwarz war. Bestürzt reagierten sie auf das Urteil. Die Familie sei "zutiefst traurig", die Jury-Entscheidung breche ihr das Herz, sagte ihr Anwalt Benjamin Crump.

Gewaltausbruch in San Francisco

In der kalifornischen Metropole San Francisco setzen hunderte Demonstranten ein Zeichen der Solidarität mit Martins Familie. Begleitet von einem massiven Polizeiaufgebot strömen sie kurz nach dem Urteilsspruch im Stadtzentrum zusammen. Viele tragen Transparente mit der Aufschrift "Das Volk sagt 'schuldig'". Im benachbarten Oakland bleibt es nicht so ruhig. Einige Demonstranten besprühen Autos und zertrümmern Fensterscheiben, wie ein Video auf der Website der Zeitung "Oakland Tribune" zeigt.

In Washington, Chicago und am New Yorker Times Square bleiben die Spontan-Proteste hingegen friedlich. Auch die rund 200 Demonstranten in einem Schwarzen-Viertel in Los Angeles lassen sich nicht zu Gewalttaten hinreißen. Die Polizei hatte vorsorglich einen "taktischen Alarmzustand" für das gesamte Stadtgebiet ausgerufen. Dabei spielte sicherlich die Erinnerung an die tagelangen Rassenunruhen eine Rolle, welche die Stadt 1992 erschütterten. Damals starben mehr als 50 Menschen.

Erinnerungen werden wach an 1991

Die Gewalt war ausgebrochen, nachdem mehrere weiße Polizisten, die den Schwarzen Rodney King 1991 wegen zu schnellen Fahrens gestoppt und dann brutal zusammengeschlagen hatten, freigesprochen worden waren. Zwei der Polizisten wurden schließlich in einem neuen Verfahren zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, außerdem erhielt King eine Millionen-Entschädigung.

Der Bürgerrechtsaktivist Al Sharpton will sich mit dem Freispruch für Zimmerman nicht zufrieden geben. "Wir werden das Justizministerium auffordern vorzugehen wie im Fall Rodney King", erklärt Sharpton nach der Urteilsverkündung auf Facebook. Den Freispruch bezeichnet er in seiner Kurznachricht als "eine Ohrfeige für das amerikanische Volk".

Todd Jealous, Chef der größten US-Bürgerrechtsgruppe NAACP, erklärt, seine Organisation werde sich beim Justizministerium in Washington dafür einsetzen, dass Zimmerman wenigstens zivilrechtlich belangt werde. Der legendäre Bürgerrechtler Jesse Jackson ruft derweil via Twitter zu Besonnenheit "in dieser Zeit der Verzweiflung" auf. "Vermeidet Gewalt, sie wird zu weiteren Tragödien führen."

(AFP)
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