Erdbeben in Chile Hunderte Häftlinge auf der Flucht

Die Erdstöße der Stärke 8,2 lösten in Chile Panik aus. Ein derart starkes Beben hatte der Norden des Landes seit dem 19. Jahrhundert nicht mehr erlebt. Sechs Menschen kamen ums Leben, als Gebäude einstürzten. Tsunami überrolten einen Hafen. Häftlinge eines Gefängnisses sind auf der Flucht.

So erlebte Chile das Beben
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Das schwerste Erdbeben seit fast 150 Jahren im Norden Chiles hat mindestens sechs Menschen getötet und an weiten Teilen der Pazifikküste Tsunami-Alarm ausgelöst. Fast eine Million Menschen mussten in höher gelegene Gegenden flüchten. Die Erschütterungen erreichten am Dienstagabend (Ortszeit) nach Angaben der chilenischen Erdbebenwarte CSN die Stärke 8,2 - es war das heftigste Beben im Norden des südamerikanischen Landes seit 1877.

Hunderte Häftlinge nutzten das Chaos zur Flucht aus einem Gefängnis.

Das Zentrum des Bebens lag rund 100 Kilometer vor der Küste der Stadt Iquique in 38,9 Kilometern Tiefe im Meer. Aus Angst vor Riesenwellen ordneten die Behörden Evakuierungen entlang der rund 5000 Kilometer langen Küstenlinie an. Am Mittwochmorgen hob das Ozeanographische Institut der Marine (SHOA) die Tsunami-Warnung auf.

Über 60 Nachbeben erreichten eine Stärke von bis zu 6,0. Das Hauptbeben war bis in die fast 500 Kilometer entfernte bolivianische Hauptstadt La Paz zu spüren. In Südperu wurden neun Menschen leicht verletzt, wie die Zeitung "El Comercio" online berichtete.

Die größten Tsunami-Wellen erreichten mit etwa 2,5 Metern Höhe den Hafen von Iquique. Mehr als hundert Fischer- und Tourismusboote wurden schwer beschädigt, wie der Fernsehsender TV Chile berichtete.
Hunderte größere Schiffe, darunter die der chilenischen Kriegsflotte, fuhren aus, um Schäden zu vermeiden. "Das Meer erreichte das erste Stockwerk der Marine-Verwaltung", sagte der Bürgermeister von Iquique, Jorge Soria. Zudem brachen Brände in der Stadt aus.

Präsidentin Michelle Bachelet erklärte drei Regionen im Norden zum Katastrophengebiet. Das Militär solle den Betroffenen helfen, aber auch Plünderungen vermeiden, sagte sie in einer Fernsehansprache. "Es sind die notwendigen Maßnahmen getroffen worden, um die Bürger und ihren Besitz zu schützen. Das Land hat die ersten Stunden dieses Notfalls gut gemeistert." Am Mittwochmorgen flog sie in das betroffene Gebiet.

Es war 20.46 Uhr, als die Menschen den Boden unter ihren Füßen kräftig wanken spürten. Am stärksten traf das Beben die Stadt Iquique (160 000 Einwohner) sowie Arica (210 000 Einwohner) an der peruanischen Grenze. "Wir hatten große Angst. Uns blieb nur noch, uns hinzukauern und Gott um Gnade zu bitten", berichtete eine Frau dem Radiosender Bio Bio. Dass sich etwas anbahnte, war schon in den vergangenen Wochen zu spüren gewesen: Mehr als 400 kleinere Beben hatten das Land erschüttert.

Bei den Todesopfern handele es sich um vier Männer und zwei Frauen, teilte Innenminister Rodrigo Peñalillo mit. Sie seien bei Einstürzen sowie durch Herzinfarkte gestorben. Das Beben löste auch Erdrutsche aus, zahlreiche Straßen waren blockiert.

Zudem kam es zu Stromausfällen. In Arica hatte am Mittwochmorgen noch die Hälfte der Stadt keinen Strom, erklärte Bürgermeister Salvador Urrutia. Die Telefonnetze waren überlastet, wie örtliche Medien berichteten. Flüge und Busverbindungen in die betroffenen Gebiete wurden vorübergehend eingestellt. Auch der Schulunterricht fiel vielerorts aus.

In Iquique nutzten rund 300 Häftlinge eines Frauengefängnisses das Chaos zu einem Massenausbruch. Etwa 40 von ihnen konnten wieder festgenommen werden, berichtete die Zeitung "La Tercera" in ihrer Online-Ausgabe. Zudem gab es vereinzelt Plünderungsversuche. Die Regierung schickte aus Santiago de Chile 100 Polizisten zur Verstärkung der Sicherheit in Iquique.

Die Evakuierung der Küstenstreifen in Städten wie Arica und Antofagasta sei in der ersten Stunde nach dem Beben problemlos gewesen, berichtete der Rundfunksender Cooperativa nach Angaben lokaler Behörden. Auch im Süden Perus gab es Evakuierungen. Mehr als 900 000 Einwohner aus den Küstengebieten flüchteten in höher gelegene Gegenden. Am Mittwochmorgen konnten die Menschen wieder in ihre Wohnungen zurück.

Erdbeben kommen in Chile häufiger vor. Zuletzt waren am 27.
Februar 2010 bei einem Beben der Stärke 8,8 im Süden des Landes mehr als 500 Menschen umgekommen. Das Anden-Land liegt an der Kontaktgrenze der tektonischen Nazca- und der südamerikanischen Platte.

(dpa)
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