Hurrikan "Irene" trifft auf Ostküste Hundertausende ohne Strom - schon acht Tote

New York (RPO). Der Hurrikan "Irene" hat am Samstagabend die Millionenmetropole New York erreicht. Durch den gewaltigen Wirbelsturm starben in den USA nach amtlichen Angaben bisher acht Menschen. In den betroffenen Bundesstaaten verließen mehr als 1,5 Millionen Menschen vorsorglich ihre Häuser, allein in North Carolina und im benachbarten Virginia waren etwa 900.000 Haushalte ohne Strom.

Hurrikan "Irene" erreicht New York
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New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg sagte auf einer Pressekonferenz: "Die Spitze des Hurrikans befindet sich über uns". Er fügte hinzu, dass die Zeit für Evakuierungen nun vorbei sei. Wer bis jetzt sein Haus nicht geräumt habe, dem rate er, da zu bleiben, wo er sich befinde und sich von den Fenstern fernzuhalten. Die größte Stadt der USA glich unterdessen einer Geisterstadt, die von starken Winden und heftigen Regenfällen heimgesucht wurde. In Manhattan waren Bars und Restaurants geschlossen, Broadway und Times Square lagen verlassen da.

Zuvor hatten mehr als 370.000 New Yorker in gefährdeten Gebieten einen Evakuierungsbefehl erhalten, über 7000 Menschen waren vorsorglich aus in Küstennähe gelegenen Krankenhäusern und Pflegeheimen in Sicherheit gebracht worden. Bloomberg hatte gewarnt, dass im südlichen Manhattan möglicherweise der Strom ausfallen und es dort Überschwemmungen geben könnte. Busse und U-Bahnen hatten ihren Betrieb eingestellt, die drei New Yorker Flughäfen waren komplett geschlossen. 900 Nationalgardisten und 2500 Mitarbeiter der Stromversorger wurde in Bereitschaft versetzt, um notfalls sofort eingreifen zu können.

Der Hurrikan war am Samstag mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 140 Stundenkilometern weiter in nördlicher Richtung die US-Ostküste hochgezogen. Auf seiner Route tötete er allein in North Carolina fünf Menschen. Darunter war ein 15-jähriges Mädchen, das wegen Stromausfalls einer Ampel an einer Kreuzung überfahren wurde, sowie ein Mann, der einen Herzinfarkt erlitt, als er die Fenster seines Hauses mit Brettern vernagelte. Zwei Menschen starben bei Verkehrsunfällen, ein Mann wurde von einem herabfallenden Ast tödlich getroffen.

Ein elfjähriger Junge wurde am Samstag in Newport News in Virginia von einem auf das Wohnhaus seiner Familie stürzenden Baum erschlagen. Ebenfalls in Virginia starb ein Mann, als ein Baum auf sein Auto stürzte. Ein 55-jähriger Surfer starb am Freitag vor der Küste Floridas. Straßen und Flughäfen wurden geschlossen, 12.000 Telefonverbindungen unterbrochen.

Zwar wurde "Irene" zwischenzeitlich wieder auf die unterste Hurrikanstufe herabgestuft und sollte sich auf dem Weg entlang der Ostküste weiter abschwächen. Doch dürfte der Hurrikan allein wegen seines schieren Ausmaßes schwere Schäden anrichten. Der Monstersturm hat laut einer Schätzung der US-Raumfahrtbehörde NASA aufgrund von Satellitenbildern einen Durchmesser von rund 840 Kilometern, das entspricht fast einem Drittel der Gesamtlänge der US-Ostküste.

Neben New York könnten auch andere Metropolen wie Washington, Boston und Philadelphia betroffen sein. An den dortigen Flughäfen wurden zahlreiche Flüge gestrichen, der Flughafen von Philadelphia wurde geschlossen. Der Bahnverkehr wurde ebenfalls stark heruntergefahren, und die Bahngesellschaft Amtrack wollte am Sonntag den gesamten Zugverkehr an der Ostküste einstellen.

Das auf die Berechnung von Sturmschäden spezialisierte US-Unternehmen Kinetic Analysis Corp. bezifferte die möglichen "Irene"-Schäden auf Basis von Computermodellen auf zwischen fünf und zehn Milliarden Dollar.

Obama will Maßnahmen selbst überwachen

Kurz nach seiner vorzeitigen Rückkehr aus dem Urlaub hat US-Präsident Barack Obama persönlich die Vorkehrungsmaßnahmen seiner Regierung gegen Hurrikan "Irene" überwacht. Nach Angaben des Weißen Hauses hielt er eine Telefonkonferenz mit Heimatschutzministerin Janet Napolitano, dem Chef der Katastrophenschutzbehörde FEMA, Craig Fugate, sowie mit weiteren ranghohen Katastrophenschützern ab und besuchte am Sitz der FEMA in Washington einen Krisenstab, der die Maßnahmen der Behörden auf allen Ebenen koordinieren soll. Offensichtlich will das Weiße Haus einen ähnlichen Kompetenzwirrwarr wie bei der "Katrina"-Katastrophe im Jahr 2005 vermeiden.

Obama hatte seinen Urlaub um einen Tag verkürzt und kehrte am Freitagabend nach Washington zurück. Noch von der Insel Martha's Vineyard aus forderte er die Menschen auf, den Anordnungen der Behörden Folge zu leisten. "Ich kann das nicht genug betonen: Wenn Sie sich auf dem erwarteten Weg des Hurrikans befinden, müssen Sie jetzt Vorkehrungen treffen", sagte er.

Meteorologen erwarteten, dass der Wirbelsturm entlang der Ostküste nordwärts ziehen würde. Für die gesamte Küste wurde heftiger Regen vorausgesagt. Die betroffene Region gehört zu den am dichtesten besiedelten Gebieten der USA. In dem erwarteten Korridor leben rund 65 Millionen Menschen. Experten gingen daher von Schäden in Milliardenhöhe aus.

In New York fährt keine Bahn

Mehr als 2,3 Millionen Menschen wurden aufgefordert, sich in Sicherheit zu bringen. "Dies ist vermutlich die größte Zahl von Menschen, die in den USA je von einem einzelnen Hurrikan bedroht gewesen ist", sagte Jay Baker von der Florida State University.

Der öffentliche Nahverkehr in New York wurde ab dem Mittag (Ortszeit) eingestellt - zum ersten Mal überhaupt wegen einer Naturkatastrophe. In New Jersey und Philadelphia wurden ebenfalls Einschränkungen im Nahverkehr angekündigt.

Fluggesellschaften strichen mehr als 8300 Flüge für das Wochenende. Die Eisenbahngesellschaft Amtrak kündigte an, ihren Fahrplan für den Nordosten des Landes am Samstag einzuschränken und für Sonntag alle Züge von Washington nach Boston zu streichen. Auch die Lufthansa hat Flüge aus Deutschland gestrichen.

Die Warnungen galten von North Carolina im Süden bis Massachusetts im Norden. Die Behörden riefen bereits den Notstand aus, riefen hunderte Soldaten der Nationalgarde zum Dienst und legten den öffentlichen Nahverkehr still.

Hunderttausende New Yorker wurden aufgefordert, sich in Sicherheit zu bringen. Bürgermeister Michael Bloomberg räumte allerdings ein, die Behörden könnten die Menschen nicht zwingen. "Wir haben einfach nicht genug Personal, um von Tür zu Tür zu gehen und die Leute aus ihren Wohnungen zu ziehen", sagte er. "Niemand wird eine Strafe zahlen müssen. Niemand wird ins Gefängnis gehen. Aber wenn Sie sie nicht daran halten, werden möglicherweise Menschen sterben."

Hurrikan so groß wie Europa

Am späten Freitagabend (Ortszeit) befand sich das Zentrum des Sturms rund 290 Kilometer südwestlich von North Carolina und bewegte sich nach Angaben der nationalen Hurrikan-Warte mit rund 22 Stundenkilometern Richtung Norden. Der Monstersturm hat einen Durchmesser von rund 820 Kilometern, das entspricht fast einem Drittel der gesamten US-Ostküste. Er ist damit so groß wie Europa. "Irene" erreichte Spitzengeschwindigkeiten von 160 Stundenkilometern.

Fast fünf Milliarden Dollar Sachschaden erwartet

Wie groß der wirtschaftliche Schaden tatsächlich ausfällt, dürfte von verschiedenen Faktoren abhängen: das Ausmaß des Hurrikans, der Ort, an dem er erstmals auf Land trifft und die Geschwindigkeit, mit der er von da an über die Küste hinweg weiterziehen wird. Doch unabhängig davon, wo und wie genau "Irene" zuschlagen wird - die Folgen dürften in jedem Fall verheerend sein.

Ein Computermodell des Umweltwissenschaftlers Roger Pielke von der Universität von Colorado und des Katastrophen-Versicherers ICAT hat den potenziellen Schaden des Hurrikans auf 4,7 Milliarden Dollar (3,26 Milliarden Euro) berechnet. Als Ausgangsdaten wurden die Werte von 27 vergleichbaren Stürmen seit 1913 herangezogen, einschließlich der dabei erfolgten Zerstörung von Häusern, Autos, Infrastruktur und anderer Besitztümer durch Wind oder durch Überflutung. Nicht eingerechnet sind die indirekten finanziellen Schäden etwa durch längere Schließung von Geschäften und Restaurants oder durch gestrichene Flüge.

In der Karibik richtete der Sturm bereits Schäden in Millionenhöhe an. An der US-Ostküste befinden sich einige der am dichtesten besiedelten Städte der Vereinigten Staaten und außerdem teure Immobilien direkt am Meer. Dort wird daher mit Schäden in Höhe von Milliarden Dollar gerechnet.

Die fünf größten Flughäfen im Großraum New York wurden für ankommende Passagierflugzeuge geschlossen. Von der Regelung betroffen, die für Inlandsflüge als auch internationale Flüge gilt, ist auch der JFK-Flughafen in New York. Der Betreiber der Flughäfen, die Hafenbehörde von New York und New Jersey, erklärte, die Maßnahme werde getroffen, um ein Chaos zu vermeiden.

(dapd/rtr/ap/top)
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