Regimetreuer Pop in Nordkorea Hier singt Kim Jong Uns Lieblings-Girlgroup

Pjöngjang · Sie tragen kurze Röcke, singen Popsongs und Diktator Kim Jong Un ist ihr größer Fan: Die jungen Frauen der Moranbong-Band sind das Aushängeschild einer nordkoreanischen Charmeoffensive. Mit Liedern wie "Wir denken Tag und Nacht an den Marschall" verdrängen sie bisherige Stars wie das "Opernensemble Blutmeer".

Die Moranbong-Band: Singen für Kim Jong Un
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Die Moranbong-Band: Singen für Kim Jong Un

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Miniröckchen, E-Gitarren, Geigen und Cellos: Willkommen bei Nordkoreas Pop-Sensation, der Moranbong Band. Mit schnellen Rhythmen, vielen Solos und leicht aufreizender Choreographie reißen die Frauen das Publikum zu Begeisterungsstürmen hin.

Und nicht nur das Publikum: Auch Kim Jong Un zählt zu den Fans, schließlich ist die charmante Truppe sein eigenes Projekt. Seit ihrem Bühnendebüt 2012 geben sie der neuen Führung ein sanfteres Image. Nach einer sechsmonatigen Pause spielen die Popqueens nun wieder vor vollen Hallen, das staatliche Fernsehen gibt ihnen beste Sendeplätze.

Die Moranbong Band besteht aus mehr als einem Dutzend Frauen an E-Geige, Cello, Keyboard und Schlagzeug. Ihr letztes großes Konzert vor der Pause fand im Oktober statt. Bei einem ihrer Comeback-Konzerte im April war nun nach staatlichen Medienangaben auch Kim dabei. Er habe "bunten Nummern" gelauscht, darunter "Oh mein Vaterland voller Hoffnung", "Unser Vater", "Wir denken Tag und Nacht an den Marschall" und andere Arrangements.

"Der oberste Befehlshaber nahm sich Zeit für den Auftritt", sagte der Moderator, "obwohl er sehr beschäftigt war, das Schicksal des Landes und seines Volkes zu schützen vor den arroganten und rücksichtslosen Schritten der US-Imperialisten und anderer feindseliger Kräfte, die die DPRK ersticken wollen."

Kurze Röcke - in Nordkorea bisher ein Tabu

Bandleader ist die Geigerin Sonu Hyang Hui. Die Musikerinnen tragen die Haare kurz, was modebewusste junge Nordkoreanerinnen nun vielfach kopieren. Ihre Mode ist konservativ bis sexy, die Röcke enden weit über dem Knie - bisher in Nordkorea ein Tabu. Nun scheinen die Rocksäume auf den Straßen der Hauptstadt Pjöngjang höher zu rutschen - möglicherweise unter dem Einfluss der Band. Bei ihrem jüngsten Auftritt orientierten sie sich am militärischen Stil, trugen weiße oder olivgrüne Uniformen mit Epauletten, kniehohen Stiefeln und etwas kürzeren Faltenröcken als üblich.

"Eine rein feminine Band, die sowohl instrumentale Virtuosität als auch verlockende Weiblichkeit zeigt, ist ziemlich interessant", sagt die Musikethnologin Donna Kwon von der Universität von Kentucky. "Sie sind unglaublich gut koordiniert und offensichtlich gute Musikerinnen. Ich kann nicht behaupten, dass ich ihre Musik als solche mag, aber sie scheinen tatsächlich den Anspruch zu haben, die nordkoreanische "populäre" Musik in vielerlei Hinsicht zu modernisieren."

Bisher war das Opernensemble Blutmeer angesagt

Zu den Stars des abgeschotteten Staates zählen bisher Symphonieorchester wie das Unhasu Orchester, die Staatssymphoniker oder das Opernensemble Blutmeer, das durch China tourte und neulich vor Bauern und Fabrikarbeitern spielte. Ihre Musiker sind zwar technisch brillant, doch meist fade und steif. Die Moranbong Band scheint mehr Begeisterung zu wecken, sowohl bei der Regierung als auch beim Publikum.

Doch was steckt hinter dieser Pop-Inszenierung in einem Land, in dem alle Formen der Kunst politischen Zwecken dienen? Vielleicht lässt Kim, der einen Teil seiner Kindheit in Europa verbrachte, eine gewisse Offenheit zur westlichen Kultur erkennen? Oder sind die Frauen nur eine neue Version der alten Garden?

"Ich denke, die Frage ist, ob die Kontrolle von oben je genug gelockert werden kann, und dafür sehe ich keine Anzeichen", sagt Keith Howard vom Zentrum für Koreanische Studien an der Universität London. "Manager, Komponisten, Arrangeure, Choreographen und alle anderen, die hinter den Künstlern stehen, sind noch immer an das Dogma des sozialistischen Realismus gebunden, was den Text angeht, die Parteilinie, Respekt vor der Führung, Moral."

Vermutlich ist die Band eines der ersten großen Projekte Kims, schließlich betraten die Mädels nicht einmal ein Jahr nach seiner Machtübernahme die Bühne. Die TV-Übertragung ihrer Einstandsshow geriet in Pjöngjang angeblich zum Straßenfeger.

Kims Rolle als Produzent ist nicht neu. "Das Regime in Nordkorea unterstützt schon lange Kunst, die sowohl inhaltlich als auch in der Form dem Staat dient", sagt Darcie Draudt, Nordkorea-Expertin des Online-Magazins "Sino-NK". "Kim Jong Il hatte spezielles Interesse an der Filmindustrie und betrachtete sie als mächtige ideologische Waffe im Dienst der Revolution. Er gründete 1983 auch das Pochonbo Electronic Ensemble, das elektronische Instrumente mit traditioneller koreanischer Musik verband." Nun versuche Kim Jong Un, mithilfe der Moranbong Band eine den Zielen seiner Führung "entsprechende Stimmung" zu erzeugen.

Was die Stars selbst denken, ist schwer zu sagen, weil sie keine Interviews geben. Sicher ist jedoch, dass sie vor allem ihren größten Fan bei Laune halten werden. "Es steht nicht zu befürchten, dass die Band beliebter wird als Kim Jong Un, angesichts der Ausmaße des Personenkults um die Kim-Herrschaft seit den späten 60er Jahren", sagt Adam Cathcart, China- und Nordkorea-Experte an der Universität Leeds. "Nordkoreanische Künstler und Musiker kennen ihren Platz in diesem System und wissen, dass sie gewisse Grenzen nicht übertreten sollten, wenn sie erfolgreich sein wollen."

(ap)
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