Enthauptungen und über 100 Tote Häftlinge in Ecuador gehen mit Schusswaffen und Granaten aufeinander los

Guayaquil · Nach brutalen Kämpfen in einer Haftanstalt in Ecuador mit mehr als hundert Toten hat Präsident Guillermo Lasso einen Ausnahmezustand in den Gefängnissen des Landes ausgerufen. In Berichten ist von Enthauptungen, Granaten und Schusswaffen die Rede.

 In den Gefängnissen Ecuadors bekämpfen sich rivalisierende Drogenbanden.

In den Gefängnissen Ecuadors bekämpfen sich rivalisierende Drogenbanden.

Foto: dpa/Angel Dejesus

Im Online-Dienst Twitter kündigte Lasso am Mittwoch (Ortszeit) an, eine Krisensitzung zu leiten, um die Lage unter Kontrolle zu bringen. In einem Gefängnis in Guayaquil hatten sich am Dienstag mit Feuerwaffen und Granaten bewaffnete Mitglieder rivalisierender Banden bekämpft.

Die Polizei hatte die Zahl der Toten bei den Kämpfen in dem Gefängnis in Guayaquil zunächst mit 24 angegeben. Am Mittwoch korrigierten die Behörden die Zahlen dann deutlich nach oben. Präsident Lasso sagte bei einer Pressekonferenz, bei dem "bedauerlichen Vorfall" seien 116 Menschen getötet und fast 80 weitere verletzt worden. Die Gefängnisbehörde sprach von "mehr als hundert" getöteten Insassen und 52 Verletzten.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wurden mindestens sechs der Insassen enthauptet. Unter den Verletzten waren demnach auch zwei Polizisten. Der Polizeichef von Guayaquil, Fausto Buenano, sagte, ein Sturm der Polizei auf das Gebäude habe noch "mehr Tote" verhindert.

Am Mittwoch war der Gefängniskomplex in Guayaquil von Soldaten und einem Panzer umstellt, im weiteren Umkreis der Haftanstalt patrouillierten Polizisten auf Pferden. Angehörige von Insassen des Gefängnisses sprachen die Beamten voll Sorge an. "Wir wollen Informationen, weil wir nichts über unsere Angehörigen wissen, unsere Söhne", sagte eine Frau, die anonym bleiben wollte. "Mein Sohn befindet sich dort."

In den chronisch überfüllten ecuadorianischen Gefängnissen kommt es immer wieder zu Ausschreitungen zwischen Mitgliedern von Banden, die mit mexikanischen Drogenkartellen in Verbindung stehen. Nach Angaben des ecuadorianischen Ombudsmanns für Menschenrechte wurden im vergangenen Jahr in Gefängnissen in dem Land 103 Menschen getötet.

In diesem Jahr kamen bereits rund 180 Gefängnisinsassen in Ecuador bei blutigen Ausschreitungen ums Leben. Dass Gefängnisinsassen Waffen in die Haftanstalten schmuggeln können, führen Experten auf die verbreitete Korruption unter dem Wachpersonal zurück.

In der vergangenen Woche hatte die Polizei in einem Gefängnis von Guayaquil 500 Schuss Munition, eine Handgranate, mehrere Messer, zwei Pistolen, einen Revolver und explosives Material beschlagnahmt. Ein anderes Gefängnis in der Stadt war vor zwei Wochen mit Drohnen angegriffen worden. Die Gefängnisbehörde machte dafür den "Krieg zwischen internationalen Kartellen" verantwortlich.

Mit seiner Lage zwischen den bedeutenden Drogenproduzenten Kolumbien und Peru ist Ecuador eine wichtige Drehscheibe für den Drogenschmuggel in die USA und nach Europa. Guayaquil im Südwesten Ecuadors ist die wichtigste Hafenstadt des Landes. Sie gilt als zentraler Umschlagplatz für den Kokain-Handel, der insbesondere von den mexikanischen Drogenbanden Sinaloa und Jalisco Nuevo Generación genutzt wird. Zwischen Januar und August beschlagnahmten die ecuadorianischen Behörden nach offiziellen Angaben 116 Tonnen Rauschgift, darunter vor allem Kokain. Im gesamten Jahr 2020 waren 128 Tonnen Drogen sichergestellt worden.

In Ecuador gebe es seit 2010 eine "Gefängniskrise", sagte der Sicherheitsexperte Fernando Carrion der Nachrichtenagentur AFP. Im Durchschnitt der vergangenen elf Jahre habe es in den Haftanstalten des Landes 25 Mordfälle gegeben. Seit 2017 habe sich die Situation dramatisch verschlimmert.

In Ecuador gibt es insgesamt 65 Gefängnisse, die Platz für rund 30.000 Insassen bieten. Tatsächlich befinden sich in den Anstalten derzeit aber insgesamt rund 39.000 Häftlinge.

(th/AFP)
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