Blondes Mädchen in Roma-Lager Griechenland: Das Geschäft mit den Kindern

Athen · Der Fall der kleinen Maria wirft ein Licht auf eine kriminelle Praxis in Griechenland. Gegen die angeblichen Eltern wird auch wegen Sozialbetrug ermittelt. Mit gefälschten Geburtsurkunden für 14 Kinder sollen sie sich 2500 Euro an staatlichen Hilfen erschlichen haben. Mehrere Standesbeamte wurden am Montag entlassen.

Griechen bitten um Hilfe bei Identifizierung von "Maria"
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Griechen bitten um Hilfe bei Identifizierung von "Maria"

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Der Fall der kleinen Maria steckt voller Rätsel. Am Dienstag kursierten neue Gerüchte über ihre Herkunft. Die Aussage der angeblichen Eltern, dass sie das Mädchen aus Mitleid unter ihre Fittiche nahmen, gilt unter Ermittlern als vollkommen unglaubwürdig.

Zu abstrus und widersprüchlich waren die Aussagen des Paares. Die Frau habe vorgegeben, sechs Kinder innerhalb von weniger als zehn Monaten geboren zu haben. Anfangs gaben sie das Kind sogar als ihr eigenes aus, mussten dann aber nach einem Gen-Test zurückrudern.

Widersprüche und Absurditäten

Weitere widersprüchliche Versionen folgten. Mal sollte Maria aus der Affäre mit einem kanadischen Touristen hervorgegangen sein, mal aus einer bulgarischen Familie stammen, die das Mädchen nicht mehr versorgen konnte. Das Paar ist mittlerweile in U-Haft.

Noch ein Aspekt machte die Ermittler misstrauisch. Insgesamt will das Paar 14 Kinder haben, davon zehn eigene. Ob diese Kinder tatsächlich existieren oder nur auf dem Papier, ist bislang unklar. Bei der Familie selbst wurden insgesamt nur vier Kinder aufgefunden. Auch deswegen gehen die Behörden davon aus, dass die restlichen zehn nur erfunden sind.

Achtmal soviel nachträgliche Anmeldungen

Die Ermittler gehen von der Theorie aus, dass das Paar Behörden betrogen hat, um entsprechende Urkunden zu bekommen. Das ist nicht weiter schwierig. In Griechenland reicht es bislang, die Geburt eines Kindes von zwei Personen bezeugen zu lassen.

Offizielle Zahlen über das Ausmaß des Betrugs gibt es nicht. Doch laut Medienberichten stieg die Zahl der nachträglich eingereichten Registrierungen von Geburten seit 2011 in Athen auf das Achtfache.

2500 Euro Kindergeld

Auf diesem Wege könnten sich die beiden Verdächtigen für ihre angebliche Kinderschar 2500 bis 2800 Euro pro Monat erschlichen haben, von drei verschiedenen Städten gleichzeitig. Angeblich hatte die Frau zwei Personalausweise und zwei Familienstammbücher.

In Griechenland offenbar kein Einzelfall. Ermittler glauben sogar, dass sich Eltern schon mal Kinder gegenseitig ausleihen, um an das Kindergeld zu kommen.

Athen meldet Entlassungen

Inzwischen hat der Fall der mutmaßlich Entführung in der Athener Stadtverwaltung zu Konsequenzen geführt. Am Montag stellte der Bürgermeister der griechischen Hauptstadt, Giorgos Kaminis, vier leitende Standesbeamte vom Dienst frei.

Das Auffinden des Mädchens am Donnerstag hatte große Unregelmäßigkeiten vor allem im Athener Standesamt aufgezeigt, wo das Kind erst in diesem Frühjahr unter Vorlage falscher Papiere angemeldet wurde.

Ein Fall von Kinderhandel?

Viele Anträge beträfen mehr als ein Kind, oft sei der Vater unbekannt und die meisten Antragsteller kämen aus Gemeinden mit großer Roma-Population. Auch Maria war in einer Roma-Siedlung im mittelgriechischen Farsala entdeckt worden.

Derweil kursieren neue Theorien über den Fall. Die britische Daily Mail schildert unter Berufung auf griechische Sozialexperten eine Szenerie, die von organisiertem Kinderhandel ausgeht. Banden könnten Maria in dem Roma-Lager untergebracht haben, als sie damit scheiterten, das Mädchen im Rahmen einer illegalen Adoption an eine wohlhabende Familie zu verkaufen.

Ein Offizieller der Kinderschutzorganisation "Das Lächeln des Kindes", die Maria derzeit betreut, spricht von einem Baby-Handel zwischen Rumänen, Bulgarien, Griechenland und England.

Tausende Anrufe

Die Polizei überprüfte am Dienstag fast ein dutzend Vermisstenfälle aus mehreren Ländern. Eingehend geprüft würden etwa Fälle aus den USA, Schweden, Polen und Frankreich, sagte ein Sprecher der Organisation der Nachrichtenagentur AFP.

Die Polizei hatte das Mädchen mit heller Haut, blonden Haaren und grünen Augen am Mittwoch in einem Roma-Lager in der Stadt Farsala entdeckt. Laut einer zahnärztlichen Untersuchung ist es fünf bis sechs Jahre alt. Die griechische Presse nennt das Mädchen den "blonden Engel".

Seit der Fall publik wurde gingen tausende Anrufe von Eltern ein, die ihre Kinder vermissen. Allein bei der Organisation "Das Lächeln des Kindes" meldeten sich seit dem Wochenende mehr als 8000 Menschen, wie der Sprecher Panagiotis Pardalis sagte.

Einige der Anrufer hätten Hinweise gegeben, die an die Polizei weitergeleitet worden seien. Viele hätten aber auch nur ihre Anteilnahme ausgedrückt.

(AFP)
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