Ungarn Polizei geht mit Tränengas gegen Flüchtlinge vor

Wien · Sie sind zu Tausenden auf der "Balkan-Route" gen Mitteleuropa unterwegs. Viele Flüchtlinge hoffen, noch aus Serbien über die Grenze nach Ungarn zu kommen, bevor der neue Stacheldrahtzaun dicht ist.

 Flüchtlinge, viele von ihnen aus Syrien, versuchen über die serbisch-ungarische Grenze nach Ungarn zu gelangen.

Flüchtlinge, viele von ihnen aus Syrien, versuchen über die serbisch-ungarische Grenze nach Ungarn zu gelangen.

Foto: ap

Die ungarische Regierung verstärkt ihre Grenze nach Serbien weiter, um den ungehinderten Zustrom von Tausenden von Flüchtlingen über die "Balkan-Route" aufzuhalten. Landespolizeikommandant Karoly Papp gab am Mittwoch in der Hauptstadt Budapest bekannt, dass bis Mitte September sechs "Grenzjäger"-Einheiten mit 2100 Mann einsatzbereit sein sollen. Ungarn errichtet derzeit außerdem an seiner Grenze zu Serbien einen 175 Kilometer langen Zaun. Die erste Sperrlinie - ein bis zu anderthalb Meter hoher Stacheldrahtzaun - ist schon fast fertig.

Der rechts-konservative Ministerpräsident Viktor Orban fährt seit Monaten eine harte fremdenfeindliche Kampagne. Seine Regierung erwägt, sogar die Armee gegen Flüchtlinge einzusetzen. Wie ungarische Medien berichteten, könnte sich das Parlament schon nächste Woche mit den nötigen Gesetzes- und Verfassungsänderungen befassen.

Ungarn liegt auf der sogenannten Balkan-Route, über die Flüchtlinge vor allem aus Syrien, aber auch aus Afghanistan, dem Irak, Somalia und Eritrea nach Mitteleuropa kommen. Ungarn ist für sie Transitland und kein Zielland.

In einem mit Flüchtlingen überfüllten Erstaufnahmelager in Ungarn gab es am Mittwoch einen Zwischenfall. Als sich Migranten über die Enge in dem Lager in Röszke nahe der serbischen Grenze beschwerten, feuerte die Polizei eine Tränengasgranate in die Luft ab. Eine Gruppe von etwa 200 Flüchtlingen hatte nach Polizeiangaben gerufen: "Lasst uns raus." Die Lage habe sich schnell wieder beruhigt, als ein Sprecher der Flüchtlinge auf arabisch mit den Migranten sprach.

Flüchtlingsansturm in Mazedonien
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Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will an diesem Donnerstag auf der Westbalkan-Konferenz in Wien über den Zustrom an Asylbewerbern aus der Region reden. Zu der Konferenz werden neben der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini und dem italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi auch die Regierungschefs aus Mazedonien, Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Montenegro und Serbien erwartet. Im laufenden Jahr stammten fast 45 Prozent aller Asylanträge in Deutschland von Menschen aus den sechs Staaten.

Das Auswärtige Amt stellte Serbien und Mazedonien - zwei wichtigen Durchgangsländern für Flüchtlinge - eine Million Euro als Soforthilfe zur Verfügung. Damit sollen unter anderem Lebensmittel, Decken und Schlafsäcke gekauft werden. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte: "Wir können nicht tatenlos zusehen, wenn schutzsuchende Flüchtlinge in Nachbarstaaten der Europäischen Union in Not geraten."

Ursachen der großen Flucht
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Foto: ALESSANDRO BIANCHI

Die Zahl der Flüchtlinge an der ungarischen Grenze ist nach Angaben der Polizei auf einen neuen Höchststand geklettert. Allein am Dienstag seien 2533 Flüchtlinge aufgegriffen worden, die über die grüne Grenze aus Serbien gekommen waren, teilte die Behörde mit.

Viele Flüchtlinge harren derzeit noch in Serbien aus. Mehr als 1000 Flüchtlinge aus dem Nahen Osten verbrachten die Nacht in zwei Parks in der Nähe der beiden Bahnhöfe in Belgrad. Sie hoffen, von dort eine Verbindung nach Norden in Richtung ungarische Grenze zu bekommen.

Die Balkanroute führt über die Türkei, Griechenland, Mazedonien und Serbien. Der Zustrom aus der Türkei und Griechenland hält weiter an. Die griechische Fähre "Eleftherios Venizelos" startete am Mittwoch mit rund 2500 Flüchtlingen an Bord von der Insel Lesbos nach Piräus.

Weitere 800 Flüchtlinge aus Lesbos kamen am späten Dienstagabend und am Mittwochmorgen mit Fähren im Hafen der nordgriechischen Stadt Kavala an. Drei Fähren pendeln seit Tagen zwischen den Ostägäisinseln und Piräus sowie Kavala und haben nach Schätzungen bereits mehr als 15 000 Migranten von den Inseln zum Festland gebracht. Täglich kommen Hunderte neue Migranten aus der Türkei an.

(dpa)
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