Papst Benedikt XVI. wird 80 Geist des Abendlandes

Düsseldorf (RP). Der Bayer Joseph Ratzinger ist als Benedikt XVI. wahrscheinlich für lange Zeit der letzte Europäer auf dem Stuhl des Heiligen Petrus.

 Papst Benedikt XVI. wird an seinem 80. Geburtstag gefeiert.

Papst Benedikt XVI. wird an seinem 80. Geburtstag gefeiert.

Foto: AP, AP

Das Staunen der Welt war groß, als am frühen Abend des 19. April 2005 Kardinal Joseph Ratzinger, der als Papst-Favorit ins Konklave gegangen war, entgegen traditioneller vatikanischer Unkerei tatsächlich als Pontifex maximus herauskam. Joseph Ratzinger, der seither Benedikt XVI. heißt, war drei Tage vor seiner Wahl 78 Jahre alt geworden. Karol Wojtyla/Johannes Paul II. war 1978 mit 58 Jahren auf den Stuhl Petri gelangt.

Seit Jahren schon hatte Ratzinger davon geträumt, seinen Dienst als Präfekt der Glaubenskongregation gegen eine späte Fortsetzung des so geliebten wie glänzenden Gelehrtendaseins zu tauschen.

"Als langsam der Gang der Abstimmung mich erkennen ließ, dass sozusagen das Fallbeil auf mich herabfallen würde, war mir ganz schwindelig zumute." So schilderte der Papst den entscheidenden Moment bei dem kurzen Konklave (18. bis 19. April) vor zwei Jahren. "Tu mir dies nicht an!", habe er zum Herrn gesagt. Aber der Herr habe ihm offenbar nicht zugehört.

Heute, zum 80. Geburtstag von Benedikt XVI., finden viele Menschen weltweit, dass die Entscheidung für den nach 482 Jahren ersten Deutschen an der Spitze der römischen Weltkirche weise gewesen sei.

Christliche Injektion für die Alte Welt

Der Journalist und Historiker Martin Posselt formuliert, was Ratzinger-Bewunderer glauben und Skeptiker einräumen: "In Papst Benedikt XVI. breitet das alte Europa noch einmal den ganzen Reichtum seines geistlichen Erbes aus." Nach zwei Jahren Benedikt-Pontifikat zeichnet sich ab, dass der "einfache, demütige Arbeiter im Weinberg des Herrn" (der Papst über sich selbst) durch Wort, Schrift und Auftreten der geistlich erschlafften Alten Welt die notwendige (vielleicht sogar erhoffte?) christliche Injektion geben könnte.

Sein soeben erschienenes Buch über Jesus, die christliche Zentralgestalt, seine erste Enzyklika "Deus caritas est" ("Gott ist die Liebe"), seine programmatische Ansprache gegen den Relativismus aller Werte als Erster unter den Kardinälen zu Beginn des Konklaves, seine klaren, nie schmeichlerischen Predigten beim Kölner Weltjugendtag im Sommer 2005 und ein Jahr danach beim Besuch seiner bayerischen Heimat - ob das alles auf eine "Benedettinische Wende" hindeutet, wie es Martin Lohmann in seinem Buch "Maximum - wie der Papst Deutschland verändert" behauptet, sei dahingestellt.

"Professor Doktor Papst"

Indes, der Mut des 80-jährigen Gelehrten zu Klarheit und Wahrheit, seine in Bescheidenheit gekleidete Intellektualität, seine tiefe Frömmigkeit mögen manche kalt lassen; gänzlich unbeeindruckt aber bleiben diesem theologischen Superschwergewicht, diesem "Professor Doktor Papst" gegenüber wenige.

Der Mainzer Bischof Karl Kardinal Lehmann fasste zum runden Geburtstag zusammen: Der Papst habe manchen überrascht, der ihn vorschnell zu beurteilen glaubte. Mit Schubladen-Denken komme man eben nicht weiter.

Wer hätte etwa an die spektakuläre Begegnung Benedikts mit seinem alten, papstkritischen Professorenkollegen Hans Küng gedacht, wer an den unverkrampften Umgang des Granden am Katheder mit jungen Leuten aus aller Herren Länder?

Scheu ist Joseph Ratzinger zeitlebens gewesen; als Papst jedoch gibt er denen keine Nahrung, die meinen, es koste ihn viel Überwindung, Kleinkinder zu tätscheln, überhaupt auf Menschen herzlich zuzugehen. Benedikt kann das, und er macht das. "Und es macht ihm auch Freude", fügte der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper kürzlich im Gespräch mit unserer Zeitung hinzu. Die römische Jugend, auch wo sie mehr lebensdurstig als kirchenfromm erscheint, hat vor zwei Jahren das sympathisierende Stakkato Be-ne-det-to erfunden.

"Mozart der Theologie"

Dass ausgerechnet der "Mozart der Theologie" (Kölns Erzbischof Joachim Kardinal Meisner über den Papst) im September 2006 durch eine insgesamt brillante, in einer Passage jedoch heikle Vorlesung an seiner alten Universität Regensburg mit einem 600 Jahre alten, negativen Zitat über Mohammed Teile der muslimischen Welt in Aufruhr versetzte, machte stutzig. Ein türkischer Politiker verglich den Papst mit Hitler, islamische Fundamentalisten stießen Morddrohungen aus.

Der Heilige Stuhl reagierte zunächst verstört. Sein diplomatischer Reparaturbetrieb lief tagelang hochtourig. Letztlich war es der Papst, dessen Vorlesung das Ratzinger'sche Lebensthema der Zusammengehörigkeit von Glaube und Vernunft behandelt hatte, der durch eine schwierige, tadellos bewältigte Türkei-Reise die Muslime versöhnlich stimmte.

Benedikt XVI. beeindruckte seine Kritiker unter anderem durch die andächtige Visite der Blauen Moschee von Istanbul. Türkische Zeitungen feierten den obersten Katholiken daraufhin hymnisch als Papst, der Herzen und Köpfe seiner Gastgeber erobert habe. Die Türkei-Reise war wichtiger Teil im Annäherungsprozess zwischen der römischen Weltkirche und der von ihr seit tausend Jahren getrennten orthodoxen Christenheit. Die Umarmung zwischen Benedikt XVI. und dem Patriarchen Bartholomäus I. bedeutete ein starkes Symbol.

Noch in diesem Jahr bricht der Pontifex zu einer anstrengenden Pastoralreise nach Brasilien auf. Die meisten Kirchenkundler sagen voraus, dass der nächste Papst aus Lateinamerika kommen werde. So ist der 80 Jahre alte Bayer, der sich als Papst nach dem Patron des Abendlandes nennt, wahrscheinlich für lange Zeit der letzte Europäer auf dem Stuhl des Hl. Petrus.

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