Der Kontinent der ewigen Krisen? Ganz Afrika leidet wegen Ebola

Johannesburg · Ein ganzer Kontinent gerät wegen einer Epidemie in wenigen Ländern in Misskredit. Diskriminierungen und wirtschaftlichen Einbußen sind die Folge des Ebola-Ausbruchs in Sierra Leone, Liberia und Guinea.

Ebola - Von ersten Fällen zum Internationalen Gesundheitsnotfall
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In den USA nahmen einige Eltern aus Angst vor Ebola ihre Kinder aus der Schule. Der Grund: Der Schuldirektor kam just von einem Besuch in Sambia zurück. Das ist ein afrikanisches Land, das weit von dem Gebiet entfernt liegt, das von der Krankheit betroffen ist. Und dies ist nur ein Beispiel unter vielen. So warnte in Genf ein Spitzenvertreter der Vereinten Nationen kürzlich eindringlich vor Diskriminierungen Afrikas wegen Ebola.

Die Krankheit wütet in einem kleinen Teil des Kontinents. Die vom Ebola-Ausbruch betroffenen Länder Guinea, Liberia und Sierra Leone haben zusammen 22 Millionen Einwohner - ein Bruchteil der afrikanischen Gesamtbevölkerung von mehr als einer Milliarde Menschen. Die drei Staaten decken gemeinsam ein Gebiet ab, das gerade mal der Größe Kaliforniens entspricht, etwas kleiner als Marokko.

Dennnoch scheint es, dass die Epidemie ganz Afrika mit seinen 54 Staaten, das doch in den vergangenen Jahren einige Fortschritte erzielt hat, in Misskredit gebracht hat. Das internationale Image leidet zunehmend, einige alte Stereotypen leben wieder auf - das Bild von einem Kontinent der Desaster.

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Die Epidemie symbolisiere für viele die Gefahrenwelt Afrika, sagt Michael Jennings, ein Experte für internationale Entwicklung an der School of Oriental and African Studies in London. Als Beispiel nannte er die jüngste Entscheidung einer britischen Schule, den Besuch eines Lehrers aus dem westafrikanischen Land Ghana zu verschieben, nachdem Eltern Besorgnisse über eine etwaige Übertragung des Virus geäußert hatten. Ghana grenzt nicht an die hart getroffenen Länder und hat bisher keinen einzigen Ebola-Fall vermeldet.

"Ängstliche Menschen reagieren nicht rational"

Jennings zufolge reagieren furchtsame Menschen nicht immer rational, und die Botschaft einiger Kommentare in sozialen Medien Großbritanniens lautet: "Warum halten wir nicht einfach jeden aus Westafrika davon ab zu kommen?"

Afrika hatte über lange Zeit Probleme mit seinem Image. Hungersnot in Äthiopien, Chaos in Somalia, Völkermord in Ruanda - das hat das Bild von einem Kontinent mit ständigen Krisen gestützt. In den vergangenen Jahren jedoch zeichnete sich eine Wende ab. Eine Reihe von Kriegen ging zu Ende, Stabilität und Wachstum nahmen zu, eine Entwicklung, die manche Enthusiasten als "Aufstieg Afrikas" feierten.

Jetzt bekommen viele Teile Afrikas die wirtschaftlichen Folgen der Ebola-Angst zu spüren, auch weit entfernt von den Gebieten, die direkt von der Krankheit betroffen sind. Hotels, Reisebüros und Organisatoren von Konferenzen verzeichnen immer mehr Stornierungen. So stiegen 30 internationale Kunden aus einer internationalen Tourismus-Expo aus, die am vergangenen Donnerstag in Victoria Falls begann, einem Ferienort in Simbabwe.

Zu denen, die kürzlich Besuche abgesagt hätten, zählten Geschäftsreisende aus China und Malaysia, schildert der Chef der nationalen Tourismusbehörde, Karikoga Kaseke. Auch Musiker aus Jamaika hätten ihre Zusagen für Auftritte in Simbabwe zurückgezogen. Das südafrikanische Land ist mehr als 4800 Kilometer vom schwer von Ebola gezeichneten Liberia entfernt. Das ist ungefähr doppelt so viel wie die Entfernung zwischen London und Moskau.

Im US-Staat Mississippi nahm der Direktor einer Mittelschule nach seiner Rückkehr aus Sambia eine Woche Urlaub, um besorgte Eltern zu beruhigen. Auch in Sambia sind bisher keine Ebola-Fälle registriert worden. Im amerikanischen Bundesstaat Pennsylvania traten in der vergangenen Woche zwei High-School-Fußballtrainer zurück, nachdem ihrer Spieler einen Gegner aus Westafrika mit Ebola-Sprüchen beschimpft hatten.

Fußballer der Nationalmannschaft von Sierra Leone sind in Qualifikationsspielen zum Afrika Cup als Ebola-Risiken behandelt worden, obwohl keiner von ihnen in dem Land lebt: Sie spielen für Vereine in Europa oder anderswo. Gegner haben sich manchmal aus Furcht vor einer Ansteckung geweigert, ihre Hände zu schütteln oder Trikots mit ihnen auszutauschen, wie das nach Spielende Tradition ist.

Derartige Fälle veranlassten den UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Seid al-Hussein, zu einer eindringlichen Warnung - vor "einer Mentalität, die Menschen in starre Identitätsgruppen einordnet und alle Afrikaner (...) zu einem Stereotyp reduziert."

(ap)
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