Fieberhafte Arbeiten an Starkstromleitung Fukushima: Ein Rennen gegen die Zeit

Tokio (RP). Mit Hochdruck wird in Japan daran gearbeitet, das Atomkraftwerk Fukushima am Freitag wieder mit Strom zu versorgen. Dann könnten die Kühlsysteme in den Blöcken wieder laufen, dann würde sich die Lage entspannen. Der Einsatz von Hubschraubern und Wasserwerfern dient nur dazu, Zeit zu gewinnen.

Tag 7 nach der Katastrophe
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Im japanischen Krisen-Kernkraftwerk Fukushima versuchen die verbliebenen Mitarbeiter des Betreibers Tepco zusammen mit dem japanischen Militär, die Lage in den vier Kraftwerksblöcken unter Kontrolle zu bringen.

Was ist die aktuelle Situation?

Derzeit bereitet den Tepco-Mitarbeitern die Situation in den Abklingbecken von Block 4, vor allem aber von Block 3 mehr Sorgen als die eigentlichen Reaktoren 1, 2 und 3. Dort sind die heißen Brennstäbe zwar nur noch bis zur Hälfte mit Kühlwasser bedeckt. Aber das ist nicht so kritisch wie das verdampfende Kühlwasser der Brennstäbe in den Abklingbecken. Seit dem Morgen steigt aus den Reaktorblöcken 2, 3 und 4 nach Angaben der japanischen Atombehörde weißer Rauch oder Dampf auf.

Warum sind die Abklingbecken so gefährlich?

Dort sind die Brennstäbe nicht von einer geschlossenen Stahlhülle als letzter Barriere von der Außenwelt abgeschirmt. Vielmehr lagern sie unter dem Dach offen im Gebäude. Werden die Brennstäbe dort nicht mehr gekühlt, kann es zur Kernschmelze kommen — und hoch radioaktives Material würde ungehindert in die Umwelt gelangen.

Das Abklingbecken ist seit einigen Tagen das Problem im Block 4 — warum ist es nun ein Problem im Block 3?

Für eine Revision des Reaktors im Block 4 wurden bereits Ende 2010 alle Brennstäbe in das Abklingbecken überführt. Darum muss man sich dort nicht auch noch um den Reaktor sorgen, sondern kann sich auf das Abklingbecken konzentrieren. Im Block 3 sieht das anders aus.

Und wie ist die Lage im Block 3?

Dort lief der Reaktor bis zum Erdbeben. Der Meiler ist darum mit Brennstäben befüllt. Aber auch bereits abgebrannte Brennstäbe wurden vor dem Erdbeben aus dem Reaktor in das Abklingbecken von Block 3 überführt. Dort gibt es also einen Reaktor, der Probleme macht, und ein Abklingbecken mit Brennstäben. Genaue Informationen, wie viele Brennstäbe in dem Abklingbecken des Blockes 3 lagern, gibt es nicht.

Konzentriert man sich deshalb auf Block 3?

Nicht nur darum. Im Block 3 wurden Brennstäbe eingesetzt, die zusätzlich zum Uran auch noch Plutonium enthalten. Das hat man gemacht, damit der Reaktor effizienter arbeitet. Aber wenn das Plutonium freigesetzt wird, dann sind die Folgen nicht abzusehen. Schon geringste Mengen, die eingeatmet werden, können Krebs auslösen. Und bei einer Kernschmelze im offenen Abklingbecken würde unter Umständen sehr viel Plutonium freigesetzt werden. Es wäre eine verheerende Katastrophe, und das für eine sehr lange Zeit. Denn erst nach mehr als 241.000 Jahren wird sich beispielsweise Plutonium-239 durch den radioaktiven Zerfall so weit abgebaut haben, dass die kontaminierte Gegend wieder bewohnbar wäre — ohne dass ein Krebsrisiko besteht.

Was hat man am Donnerstag getan, um das Abklingbecken im Block 3 zu kühlen?

Zwei Militärhubschrauber haben in vier Flügen etwa 30 Tonnen Wasser abgeworfen. Allerdings traf man das Abklingbecken nicht sehr genau. Eine ähnliche Menge Wasser wurde mit elf Wasserwerfern des Militärs in das Becken gesprüht. Dadurch hat sich die Situation zumindest etwas entschärft. Probleme macht dabei die Radioaktivität. Deshalb können die Hubschrauber und Wasserwerfer nicht so lange vor Ort bleiben, wie es eigentlich notwendig wäre. Am Boden wurden zeitweise bis zu 400 Millisievert pro Stunde gemessen. Für die Mitarbeiter vor Ort heißt das aber, dass sie vermutlich längst die eigentliche Jahres-Obergrenze von 20 Millisievert erreicht haben. Allerdings gilt auch in Deutschland, dass in Notfällen eine sehr viel höhere Dosis aufgenommen werden darf. In Fukushima wurde die auf 250 Millisievert erhöht. Ab 1000 Millisievert muss man mit einer ernsten gesundheitlichen Gefährdung rechnen. Mittlerweile hat sich die Strahlung auf dem Gebiet des Kraftwerkes aber bei nur etwa vier Millisievert pro Stunde eingepegelt.

Worauf konzentriert man sich nun in Fukushima?

Man versucht, Zeit zu gewinnen, während mit Hochdruck daran gearbeitet wird, eine Hochspannungsleitung zumindest provisorisch zu reparieren. Dann hätte man wieder genug Strom, um die Kühlsysteme laufenzulassen.

(RP)
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