Ferguson Schüsse auf Polizisten in Ferguson

Ferguson · Offenbar versuchen Provokateure, die Spannungen zusätzlich anzuheizen. Der Rücktritt des Polizeichefs bringt keine Entspannung.

Eigentlich sollte es eine kleine Freudenfeier werden. Mit dem Rücktritt Thomas Jacksons, des Polizeichefs von Ferguson, hatten die Demonstranten eines der Ziele erreicht, für die sie seit dem vorigen Sommer auf die Straße gehen. Doch dann fielen aus dem Hinterhalt Schüsse: Zwei Polizisten wurden schwer verletzt - eine dramatische Eskalation der Unruhen, die durch den Tod des schwarzen Teenagers Michael Brown im vergangenen August losgetreten worden waren. Fergusons Polizei wurde zuletzt selbst vom US-Justizministerium vorgeworfen, sie diskriminiere Afro-Amerikaner aus rassistischen Gründen: Polizisten gingen häufig mit unverhältnismäßiger Gewalt gegen Schwarze vor, hielten diese ohne ersichtlichen Grund an und verfolgten sie wegen Bagatelldelikten. Außerdem würden Schwarze übermäßig häufig mit Geldstrafen belegt - mit dem Ziel, die Kassen der Stadt aufzufüllen.

Als das Pulverfass Ferguson nach dem Tod von Michael Brown explodierte, hatte Polizeichef Jackson nicht nur heillos überfordert gewirkt, sondern auch den Eindruck vermittelt, als gehe ihm nicht wirklich zu Herzen, was an jenem Augusttag geschehen war - und sei es auch nur, weil er ungeschickt kommunizierte.

Sieben Monate nach der Tragödie verabschiedet sich der 58-Jährige, abgefunden mit einem Jahreslohn von 96 000 Dollar (umgerechnet rund 78 110 Euro). In der Kleinstadt am Rande von St. Louis ist er der sechste Amtsträger, der abtritt, nachdem ein Untersuchungsbericht des Justizministeriums eine Welle von Demissionen ausgelöst hatte. Erst gingen zwei Polizisten und eine Gerichtssekretärin, die sich mit rassistischen Witzen über die Familie Obama, die erste schwarze im Weißen Haus, lustig gemacht hatten. Ihnen folgte Ronald Brockmeyer, Richter am Amtsgericht, der praktisch alles, was sich die vornehmlich weiße Polizeitruppe gegenüber den mehrheitlich schwarzen Bewohnern Fergusons an Schikane einfallen ließ, juristisch deckte. Dann räumte John Shaw, der Chef der Stadtverwaltung, seinen Posten - ein Manager, der die Uniformierten gezielt dazu anhielt, die Einnahmen aus Bußgeldern, etwa von Falschparkern, drastisch zu erhöhen. Und nun Jackson.

Nach den Worten Kayla Reeds, einer jungen Aktivistin, sollte der Teilerfolg gefeiert werden, mit einer spontanen Kundgebung vor der Polizeiwache, einem hässlichen Betonwürfel an der South Florissant Road. Zugleich, sagte Reed, wollte man deutlich machen, dass sich Grundsätzliches ändern müsse bei den Polizeikräften, zumal deren alter Chef nur eine Symbolfigur für das Übel war. "Jackson war nicht derjenige, der uns in Kampfmontur gegenüberstand und Tränengasgranaten auf uns feuerte. Nur neue Gesichter für dieselbe alte Kultur, das wird nicht reichen." Rund 150 Demonstranten zogen am Mittwochabend vor der Polizeistation auf. Als die Lage nach Mitternacht eskalierte, waren etliche bereits nach Hause gegangen. Zuvor waren mindestens zwei Demonstranten festgenommen worden.

Viermal, kurz hintereinander, schildert ein Zeuge, der Fotograf Bradley Rayford, seien Schüsse gefallen. Nach seinem Eindruck seien sie von einem Hügel aus rund 200 Meter Entfernung abgegeben worden. Einen 41-jährigen Polizisten traf eine Kugel an der Schulter, einen zweiten, 32 Jahre alt, im Gesicht. In beiden Fällen, so hieß es aus dem Krankenhaus, seien die Verletzungen äußerst schmerzhaft und schwer, wenn auch nicht lebensbedrohlich.

Über das Motiv der Täter herrscht einstweilen Rätselraten. Es sei ja nicht so gewesen, dass sich zunehmende Spannungen in einer bewaffneten Attacke entladen hätten, eher seien die Proteste in relativ geordneten Bahnen verlaufen, schildert Deray McKesson, ein Blogger. In den Reihen der Demonstranten habe niemand zu einer Waffe gegriffen, da sei er sich ziemlich sicher.

Falls McKessons Beobachtungen stimmen, legt es den Schluss nahe, dass es Provokateure gibt, die darauf aus sind, Öl ins Feuer von Ferguson zu gießen. In Washington rief Claire McCaskill, die demokratische Senatorin des Bundesstaats Missouri, denn auch eilig dazu auf, kühlen Kopf zu wahren: "Es ist höchste Zeit für Reformen, Zeit für einen Heilungsprozess. Gewalt darf in diesem Prozess keinen Platz haben."

Justizminister Eric Holder versprach den Ermittlern die volle Unterstützung seines Ministeriums: "Solche sinnlosen Gewaltakte bedrohen genau die Reformen, an denen nicht gewalttätige Demonstranten in Ferguson und im ganzen Land seit Monaten arbeiten."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort