Sorge auch in Deutschland FBI befürchtet neue Gewalttaten durch „QAnon“-Anhänger

Washington/Berlin · Nach Ansicht der US-Bundespolizei FBI stellen die Anhänger der Verschwörungstheorie „QAnon“ immer noch eine Gefahr dar. Nachdem viele der Prophezeiungen aus dem Internet nicht real geworden seien, könnten einige Anhänger beginnen, in der realen Welt Gewalttaten gegen politische Gegner zu verüben.

 Das Zeichen der QAnon-Bewegung (Archivbild).

Das Zeichen der QAnon-Bewegung (Archivbild).

Foto: AP/Ted S. Warren

So heißt es in einem Bericht von FBI und US-Heimatschutzministerium, der am Montag öffentlich gemacht wurde.

Viele „QAnon“-Jünger glauben, dass der ehemalige US-Präsident Donald Trump gegen Feinde aus dem Staatsapparat ankämpfte, um einen Ring aus satanistischen Kannibalen und Kinderhändlern offenzulegen. Einige von ihnen waren auch an der Erstürmung des US-Kapitols am 6. Januar beteiligt. Damals wollten die Trump-Anhänger verhindern, dass Joe Bidens Sieg bei der Präsidentschaftswahl bestätigt wird. Dass er dann tatsächlich vereidigt wurde und Trump aus dem Weißen Haus ausziehen musste, desillusionierte viele der Verschwörungstheoretiker. Sie hatten gehofft, dass der prophezeite „Storm“, die Verurteilung und Exekution von Trumps Feinden bevorstehe.

Doch es schossen auch neue Verschwörungstheorien ins Kraut, etwa, dass Trump eigentlich Schattenpräsident sei oder dass die Vereidigung Bidens eine Computeranimation gewesen sei.

Einige würden aber nun glauben, dass sie den Postings auf den „QAnon“-Seiten keinen Glauben mehr schenken könnten, und möglicherweise versuchen, selbst Fakten zu schaffen, hieß es in dem Bericht.

Auch in Deutschland ist die Gefahr nicht gebannt: Trotz des Abflauens der Corona-Krise muss der Staat nach Meinung von Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) weiter ein scharfes Auge auf die Protestbewegung um die sogenannten Querdenker haben. „Wir haben die klare Erkenntnis, dass im Zuge des Protestgeschehens Verschwörungsideologien Aufwind erhalten und sich sehr stark verbreitet haben“, sagte der Vorsitzende der Innenministerkonferenz der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Es gehe um Ideologien, die sich gegen staatliche Vertreter, einzelne gesellschaftliche Gruppen oder gegen die Demokratie an sich richten. „Diese Entwicklung werden wir auf das Schärfste beobachten.“ Man werde die Zusammenarbeit der Verfassungsschützer „bundesweit intensivieren und standardisieren“.

Der CDU-Politiker sagte vor der Konferenz der Innenminister von Bund und Ländern im südbadischen Rust von diesem Mittwoch an: „Es ist offenkundig so, dass Reichsbürger, Selbstverwalter, Verschwörungstheoretiker, QAnon-Anhänger und Rechtsextreme versuchen, die Demonstrationen gegen die Corona-Politik zu unterwandern, zu instrumentalisieren, Anhänger zu gewinnen. Sie wollen Leute infizieren mit ihrem Gedankengut und die, die schon infiziert sind, weiter in ihrem Sinne radikalisieren.“

Strobl hält es auch für denkbar, dass solche Radikalisierten zu Terroranschlägen fähig sind. „Die Entwicklung ist in jedem Fall besorgniserregend. Wenn jemand radikalisiert ist, bedarf es vielleicht nur noch eines kleinen Funkens, dass er auch zur Tat schreitet und tatsächlich eine Straftat verübt.“

In Baden-Württemberg beobachtet das Landesamt für Verfassungsschutz bereits seit Ende vergangenen Jahres die Organisationsebene der „Querdenken“-Bewegung. Einige Länder sind dem Beispiel gefolgt, aber längst nicht alle. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet seit Ende April Personen und Gruppen innerhalb der „Querdenken“-Bewegung.

Auch in Brandenburg beobachtet man die Szene mit Sorge: Brandenburgs Verfassungsschutz warnt vor wachsenden Gefahren durch Verschwörungsideologien. Besonders alarmierend sei, dass während der Corona-Pandemie vor allem extremistische Verschwörungstheorien an Bedeutung gewonnen hätten, heißt es in einem Vorabbericht zum brandenburgischen Verfassungsschutzbericht, der am Dienstag in Potsdam veröffentlicht wurde. Für das Jahr 2020 gelte dies in erster Linie für den starken Anstieg deutschsprachiger „QAnon“-Inhalte sowie die gezielte Verächtlichmachung demokratischer Entscheidungsprozesse im Rahmen der Pandemie-Bekämpfung.

„Krude Verschwörungserzählungen werden von teils schrägen Gestalten wie ehemals prominenten Köchen, Tanzlehrern und Schlagersängern verbreitet, sind aber bisweilen auch Teil gezielter Desinformationskampagnen einschlägiger Nachrichtenportale“, betont Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU): „Wir müssen verhindern, dass das Gift der Zersetzung seine Wirkung weiter entfalten kann.“

Das in Brandenburg verlegte und als rechtsextremer Verdachtsfall eingestufte „Compact“-Magazin wirke bei der Verbreitung von Verschwörungsideologien wegen seiner nicht unerheblichen Reichweite als „ideologischer Superspreader“, heißt es in dem Bericht des Verfassungsschutzes. Das Magazin biete eine milieuübergreifende Plattform, bündele und verstärke die Ideologien und verbreite sie zielgerichtet weiter. 2020 hätten insbesondere die Demonstrationen von „Querdenken“ und die Veröffentlichungen von „Compact“ entscheidend dazu beigetragen, die „QAnon“-Verschwörungstheorie in Deutschland „aus der reinen Internetblase zu holen“.

Auch an anderer Stelle seien Brandenburger an der Verbreitung von „QAnon“-Inhalten beteiligt sind, heißt es weiter in dem Bericht. Beispiel dafür sei die Facebook-Gruppe „Eberswalder Initiative für DemQkratie und Freiheit!“. An einer Demonstration des Duisburger Ablegers „Querdenken 203“ Ende November 2020 in Frankfurt an der Oder hätten sowohl Reichsbürger als auch Rechtsextremisten und „QAnon“-Anhänger teilgenommen.

Die gesamte Gesellschaft sei gefordert, der Verschwörungserzählungen innewohnenden Gewaltorientierung mit Entschiedenheit zu begegnen, betont der Verfassungsschutz: „Schließlich geht es hier um Menschen, die sich teilweise vollständig von der Wirklichkeit abgekoppelt haben.“

Es sei nicht ausgeschlossen, dass von Anhängern von Verschwörungsideologien schwere Gewaltstraftaten ausgehen, weil sie für sich keine anderen Formen des Handelns mehr erkennen können und glauben, sie müssten „zu einer Art finalem Schlag ausholen“, warnt der Verfassungsschutz. Auch der Attentäter von Hanau, der im Februar 2020 neun Menschen mit Migrationshintergrund erschoss, müsse in diesem Kontext betrachtet werden.

Die „QAnon“-Ideologie behauptet unter anderem, Staaten würden von bösen Mächten unterwandert, um die Weltbevölkerung mit Hunger, Krieg und Armut in Abhängigkeit zu halten. Der laut Verfassungsschutz bis heute unbekannte Autor unterzeichnet seine Beiträge zumeist mit dem Buchstaben „Q“ und bleibt anonym. Deshalb wird die Verschwörungstheorie als „QAnon“ bezeichnet.

(felt/dpa)
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