Entführter Etan Patz Gericht fällt 38 Jahre nach Verschwinden eines Jungen Mord-Urteil

New York · 1979 verschwindet in den USA ein sechs Jahre alter Junge auf dem Weg zur Schule. Der Fall erschüttert die USA. Jetzt gibt es ein Mord-Urteil – doch geschlossen ist die Akte immer noch nicht.

 Jahre lang wurde Etan Patz mit Anzeigen und Plakaten gesucht. Das Foto zeigt den Jungen kurz vor seinem Verschwinden 1979.

Jahre lang wurde Etan Patz mit Anzeigen und Plakaten gesucht. Das Foto zeigt den Jungen kurz vor seinem Verschwinden 1979.

Foto: dapd, Mary Altaffer

1979 verschwindet in den USA ein sechs Jahre alter Junge auf dem Weg zur Schule. Der Fall erschüttert die USA. Jetzt gibt es ein Mord-Urteil — doch geschlossen ist die Akte immer noch nicht.

Strohblonder Topfschnitt, große blaue Augen und ein scheues Lächeln im Gesicht — so brannte sich Etan Patz in das kollektive Gedächtnis der USA ein. Auf Plakaten und Milchkartons war das Foto des kleinen Jungen zu sehen, der 1979 auf dem Weg zur Schule in New York verschwunden war und dringend gesucht wurde. Das Bild ließ die USA nicht mehr los.

Dutzende Ermittler arbeiteten jahrzehntelang erfolglos an dem Fall, der zu den spektakulärsten der US-Kriminalgeschichte gehört. Eltern auf der ganzen Welt wurden ängstlicher und misstrauischer. Lange schien unklar, ob der Fall überhaupt je geklärt werden könnte, aber fast 40 Jahre nach dem Verschwinden des kleinen Jungen, dessen Leiche nie gefunden wurde, entschied eine Jury am Dienstag auf schuldig: Mord.

Auf der Anklagebank saß bereits zum zweiten Mal ein 56 Jahre alter Mann. Er gilt als psychisch krank und hatte 1979 in einem Laden in der Nähe von Patz' Wohnhaus im Stadtteil SoHo gearbeitet. Nach einem Tipp hatte ihn die Polizei 2012 festgenommen und er hatte überraschend gestanden, den kleinen Jungen mit dem Versprechen auf eine Limonade in den Laden gelockt und im Keller erwürgt zu haben. Danach habe er die Leiche des Jungen in einen Müllcontainer geworfen.

Ein Motiv nannte er nicht — und zog das Geständnis auch kurz danach wieder zurück. Ein erster Prozess gegen ihn war 2015 geplatzt, weil sich die zwölfköpfige Jury auch nach 18 Beratungstagen nicht auf ein Urteil einigen konnte.

Beweise gab es auch im neu aufgerollten Prozess keine, doch diesmal ist die Jury sich sicher: Der 56-Jährige hat Patz 1979 entführt und ermordet. "Ich bin wirklich erleichtert und ich sage ihnen, das war überfällig", sagte Patz' Vater Stanley unter Tränen nach dem Urteil. Die neuntägigen Beratungen seien "konstruktiv", aber auch "herzzerreißend" gewesen, sagte Jury-Chef Thomas Hoscheid.

Staatsanwalt Cyrus Vance bezeichnete den Fall als einen der "bedeutendsten und prägendsten in der Geschichte der Stadt". Das letzte Wort könnte jedoch immer noch nicht gesprochen sein: Die Verteidigung kündigte an, in Revision gehen zu wollen.

Patz war an diesem verhängnisvollen 25. Mai 1979 zum ersten Mal alleine zum Schulbus gegangen — auf dem Kopf eine Pilotenmütze und in der Tasche einen Dollar für eine Limonade. Er sollte nie wieder zurück nach Hause kommen. Seine Eltern gaben lange die Hoffnung nicht auf, zogen nie um und behielten die gleiche Telefonnummer, in der Hoffnung, dass ihr Sohn eines Tages doch noch zurückkehren würde. 2001 erklärte ihn ein New Yorker Richter für tot. Der Tag seines Verschwindens ist heute offizieller "Tag des vermissten Kindes".

38 Jahre später, so sagte Vater Stanley Patz am Dienstag in dem Gericht in New York, habe seine Familie nun endlich "eine Form der Gerechtigkeit für unseren wunderbaren kleinen Jungen Etan bekommen".

(rent/dpa)
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