#FacesofProstitution Das wahre Gesicht der Sexarbeit

Düsseldorf · Ist Prostitution moderne Sklaverei? Oder Ausdruck eines selbstbestimmten Lebens? Über Twitter formieren sich seit einigen Tagen Prostituierte unter dem Hashtag "FacesofProstitution. Ihre Botschaft: Wir verdienen unser Geld mit Sex, weil wir uns dafür entschieden haben.

#FacesofProstitution - Frauen bekennen sich zur Sexarbeit
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Foto: Screenshot Twitter

Unter dem Hashtag zeigen sie freiwillig ihr Gesicht, verbunden mit einem Bekenntnis zur Prostitution. Einige kombinieren ihre Tweets mit Schlagwörtern wie #happy, #HumanRights oder #Sexwork. In ihrer Kampagne präsentieren sich die meisten mit einem Lachen im Gesicht, manche aufreizend in Dessous, andere mit Symbolen eines luxuriösen Lebensstils.

Auslöser der Bewegung war Ende März ein Posting einer jungen Australierin, die sich Tilly Lawless nennt. Bei Instagram wehrte sie sich gegen einen Blogeintrag der Australierin Laila Mickelwait. In ihrem Text für das Portal exoduscry, das sich gegen Menschenhandel einsetzt, verglich Mickelwait die Realität von Prostituierten mit dem romantischen Märchen von "Pretty Woman". Anlass: das 25-jährige Jubiläum des Kinoerfolgs mit Julia Roberts und Richard Gere.

Ihr Fazit ist verheerend. Durch ihre Arbeit und persönliche Gespräche mit Prostituierten habe sie gelernt, dass Prostitution in der Gegenwart nichts mit dem romantischen Kinomärchen gemein habe, sondern vielmehr mit einer tragischen Horrorgeschichte. Zahlreiche Frauen hätten sich durch den Film, in dem Julia Roberts als Prostituierte den Mann ihres Lebens kennen- und lieben lernt, verführen lassen, ebenfalls diesen Weg einzuschlagen. Ihr Glaube, bei der Sexarbeit handle es sich um etwas Romantisch-Glamouröses, wurde bitter enttäuscht, berichtet die Autorin. Das strahlende Lächeln von Julia Roberts sei eben nicht das Gesicht der Prostitution.

Im Internet schallt Mickelwait jedoch nun hundertfach Widerspruch entgegen. Den Anfang machte eben jene Tilly Lawless. Sie ärgerte sich insbesondere über die Behauptung, bei Sexarbeiterinnen handle es sich um Opfer. Um das zu entkräften, beschreibt sie zunächst sich selbst: "Studentin, angehende Anwältin, Aktivistin, Tochter, Schwester, Sexarbeiterin. Ich muss mich nicht retten lassen."

Nachdem sie ihren Protest bei Twitter kundgetan hatte, stieß sie auf bemerkenswerten Zuspruch. Hunderte weitere Sexarbeiterinnen aus aller Welt begannen so wie Tilly Lawless ihr Gesicht offen zu zeigen. Lachend, selbstbewusst, freiwillig. Viele heben hervor, dass sie sich aus freien Stücken dazu entschieden hätten, auf diese Weise ihr Geld zu verdienen. "Mein Leben, mein Körper, meine Entscheidung."

Auf Anfrage der BBC legte "Pretty Woman"-Kritikerin Mickelwait jedoch nach. "Nur weil eine Handvoll Frauen und Männer bei Twitter ihr Gesicht zeigen und sagen, dass es sich um einen selbstbestimmten Job handelt, macht das die Sache für die Sex-Industrie nicht wahrer", sagte sie. Die Stimmen bei Twitter sind in ihren Augen lediglich die einer kleinen, privilegierten Minderheit. Lawless hielt dem entgegen, dies erlaube nicht, Sexarbeiterinnen wie sie ihres Rechts zu freien Entscheidungen zu berauben.

Die Auseinandersetzung erinnert an die Diskussion, wie sie seit Jahren auch immer wieder in Deutschland geführt wird. Zuletzt war dies besonders dringlich vor zwei Jahren der Fall, als die Bundesregierung eine Verschärfung des Prostitutionsgesetzes verhandelte. Sogar im TV-Talk bei Günther Jauch war das Thema präsent. Mit der Sexarbeiterin Lena Morgenroth war eine Frau zu Gast, die sich in ihrem freien Geist der australischen Kollegin Tilly Lawless sehr verbunden fühlen dürfte.

Ihre provokante These aus der Sendung vom November 2013: Selbst Frauen, die aus ärmlichsten Verhältnissen in die Rotlichtszene nach Deutschland gelangt sind, haben eine bewusste Entscheidung getroffen, in diesem Falle gegen die Armut.

Freilich wurde schon damals der Widerspruch deutlich, der die Diskussion von Beginn an prägt. So lange Frauen aus freier Entscheidung in demselben Geschäft operieren, in dem Menschen- und Sklavenhändler Profite erwirtschaften können, wird er bestehen bleiben.

(pst)
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