Fukushima: Kernschmelze in insgesamt drei Reaktoren Experten fordern weitere Evakuierungen

Tokio (RPO). Das Ausmaß der Atomkatastrophe in Fukushima ist deutlich größer als die Betreibergesellschaft Tepco bislang zugegeben hatte: "Sehr wahrscheinlich" sei es in zwei weiteren Reaktoren zu einer Kernschmelze gekommen, so Tepco. Vor diesem Hintergrund fordern Experten, die Evakuierungszone zu erweitern.

Tepco zeigt neue Bilder aus Fukushima
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Tepco gestand am Dienstag erstmals ein, dass es vermutlich nicht nur in Reaktor 1, sondern auch in den Reaktoren 2 und 3 zu Kernschmelzen gekommen sei. Die Regierung in Tokio beschloss die Gründung einer unabhängigen Expertenkommission zur Klärung der Ursachen der Katastrophe.

Der Großteil der Brennstäbe in den Reaktoren 2 und 3 sei ebenso wie in Reaktor 1 vermutlich auf den Boden des Druckbehälters gefallen, sagte ein Tepco-Sprecher. Dies gehe aus neuen Messungen an den Reaktoren hervor. Die Reaktorbehälter würden aber gekühlt und seien "stabil". Relativ niedrige Temperaturen deuteten darauf hin, dass das Brennmaterial zum Großteil von Wasser bedeckt sei.

Bislang hatte Tepco lediglich eine Kernschmelze im Reaktor 1 eingeräumt. Das Akw verfügt über sechs Reaktoren.

Allerdings waren Experten bereits seit längerem davon ausgegangen, dass es auch in den Reaktoren 2 und 3 Kernschmelzen gab. Die Reaktoren 4, 5 und 6 von Fukushima befanden sich zum Zeitpunkt des schweren Erdbebens und des anschließenden Tsunamis am 11. März in Wartung.

Die Naturkatastrophe hatte den Druckbehälter von Reaktor 1 beschädigt und die Kühlsysteme der Reaktoren lahmgelegt. Die Überhitzung der Reaktoren löste dann die schwerste Atomkatastrophe seit Tschernobyl vor 25 Jahren aus.

Untersuchungskommission eingerichtet

Am Freitag hatte Regierungschef Naoto Kan vor dem Parlament eingeräumt, die Bevölkerung wegen der ihm vorliegenden Tepco-Angaben "vollkommen falsch" über die Atomkatastrophe unterrichtet zu haben. "Wir haben die falschen Angaben von Tepco nicht aufdecken können. Darüber bin ich zutiefst unglücklich." Tepco erklärte dagegen, erst Untersuchungen von Arbeitern in den betroffenen Reaktorgebäuden hätten ein detaillierteres Schadensbild ergeben.

Eine unabhängige Untersuchungskommission soll Dokumente im Zusammenhang mit der Atomkatastrophe einsehen und Tepco-Techniker und Behördenmitarbeiter befragen. Sie steht unter Leitung des emeritierten Professors Yotaro Hatamura, der sich in seiner wissenschaftlichen Laufbahn mit menschlichem Fehlverhalten auseinandersetzte. Die Kommission soll im Dezember einen Zwischenbericht und im Sommer 2012 einen Abschlussbericht vorlegen.

Die Experten sollen zudem Vorschläge unterbreiten, wie ähnliche Katastrophen künftig verhindert werden können. Sie sollen auch Empfehlungen aussprechen, wie die Auswirkungen auf die Menschen gemildert werden können, die die Evakuierungszone um Fukushima verlassen mussten. Seit dem Beginn der Atomkatastrophe mussten rund 85.000 Menschen ihre Häuser verlassen.

70.000 Menschen leben in radioaktiv verseuchten Gebieten

Das französische Institut für Strahlungsschutz und Nuklearsicherheit (IRSN) empfahl am Dienstag die Evakuierung weiterer Gebiete außerhalb der bisherigen Evakuierungszone 20 Kilometer um das Atomkraftwerk. 70.000 Menschen, darunter 9500 Kinder im Alter bis zu 14 Jahren lebten derzeit in radioaktiv verseuchten Gebieten. Sie würden einer Strahlung von mehr als zehn Millisievert pro Jahr ausgesetzt, sagte der IRSN-Umweltdirektor Didier Champion.

Die japanische Regierung sagte ihre volle Kooperation mit dem Expertenteam der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) zu, das am Dienstag in Tokio eintraf. "Wir werden Ihnen alle unsere Informationen zur Verfügung stellen", sagte Industrieminister Banri Kaieda.

(AFP/jre)
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