Britischer Minister greift Putin an Ex-Spion soll in Sushi-Bar vergiftet worden sein

London (RPO). In die Vergiftung des russischen Ex-Spions Alexander Litvinenko sind offenbar ausländische Behörden involviert. Dafür soll die britische Polizei Hinweise gefunden haben. Laut Medienberichten soll Litvinenko in einer Londoner Sushi-Bar vergiftet worden sein. Die britische Regierung wirft Russlands Präsident Putin einen Angriff auf die Demokratie vor.

Der Abschiedsbrief des vergifteten Ex-Spions Litvinenko
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Foto: ap

Drei Tage nach dem Gifttod des Exagenten Alexander Litvinenko in London hat ein Mitglied der britischen Regierung den russischen Präsidenten Wladimir Putin kritisiert. Unter ihm habe es "gewaltige Angriffe auf die individuellen Freiheiten und auf die Demokratie" gegeben, sagte Nordirland-Minister Peter Hain am Sonntag der BBC. Putins Amtszeit sei unter anderem von dem "düsteren Mord" an der Journalistin Anna Politkowskaja überschattet.

Es sei wichtig, dass der russische Staatschef auf den Weg der Demokratie zurückkehre, sagte Hain, ohne sich direkt zum Fall Litvinenko zu äußern. Putin hat den Tod des Exspions als Tragödie bezeichnet und jegliche Verwicklung bestritten. Der britische Innenminister John Reid wollte sich nicht an den Spekulationen über die Todesursache beteiligen. Er wolle sich als Politiker kein Urteil darüber erlauben, dies sei Sache der Polizei, sagte Reid dem schottischen Radio Clyde.

Die oppositionellen Konservativen forderten die Regierung von Premierminister Tony Blair auf, im Parlament darzulegen, was sie von dem Fall wisse und wie das radioaktive Gift Polonium-210, an dem Litvinenko am Donnerstag starb, nach Großbritannien gelangen konnte.

Vergiftetes Essen

Laut "Sunday Times" benannte der 43-jährige Putin-Kritiker am Sterbebett einen Mitarbeiter der russischen Botschaft in London als zuständig für seine Beobachtung. Am Vortag hatte die Zeitung auf Berufung eines hohen Ministerialbeamten berichtet, es gebe Anzeichen für einen Mord im staatlichen Auftrag. Im Rahmen der weiteren Ermittlungen sollen Untersuchungsbeamte diese Woche nach Moskau und Rom reisen. Britische Diplomaten schließen Auswirkungen auf das Verhältnis mit Moskau nicht aus.

In seinem letzten langen Interview vor seinem Tod am Donnerstag äußerte Litvinenko laut "Sunday Times" den konkreten Verdacht, dass er vom russischen Geheimdienst beobachtet werde. Zuständig für seinen Fall sei ein gewisser Viktor Kirow gewesen. Der Zeitung zufolge arbeitete bis Ende 2005 ein Mann namens Anatoli V. Kirow an der Londoner Botschaft. Die Anti-Terror-Polizei beantragte die Herausgabe des Interviewtextes für die Ermittlungen.

Die britische Polizei ging nach Angaben des Boulevardblatts "The Sun" davon aus, dass der Mörder am 1. November Litvinenkos Essen in der Sushi-Bar "Itsu" nahe dem Picadilly Circus vergiftete. Litvinenko hatte dort den italienischen Informanten Mario Scaramella getroffen, der ihm Unterlagen für die Recherche des Mordes an der Kreml-kritischen Journalistin Anna Politkowskaja übergab. Der Geheimdienst- und Nuklearexperte, der laut "Mail on Sunday" auf die Suche nach Atommüll und ausrangierten Kernwaffen aus der Sowjetzeit spezialisiert ist, bestreitet eine Verwicklung in die Tat vehement und bot der Polizei seine Mitarbeit an.

Nach Scaramella traf der ehemalige Agent zwei Landsleute in einer Hotel-Bar, in der ebenfalls Spuren von radioaktivem Polonium 210 gefunden wurden, die auch in Litvinenkos Körper nachgewiesen wurden. Wie die "Sun" weiter berichtet, vermuten Polizei und Geheimdienste, dass eine Sushi-Mahlzeit für Litvinenko mit dem Polonium 210 eingesprüht wurde.

Die Gesundheitsbehörden riefen alle Gäste der beiden fraglichen Orte auf, sich untersuchen zu lassen. Die Wahrscheinlichkeit für eine gesundheitliche Beeinträchtigung sei allerdings gering, hieß es. Litvinenkos Frau wurde einem Zeitungsbericht zufolge bereits negativ auf Polonium getestet.

Russland um Mithilfe ersucht

London ersuchte in Russland offiziell um Mithilfe bei der Aufklärung des mysteriösen Todesfalls. Das höchste britische Sicherheitsgremium, das Cobra-Komitee, kam am Samstag erneut zusammen, um die Litvinenko-Affäre zu diskutieren. Außenamts-Mitarbeiter Kim Howells deutete an, dass die Ermittlungen ernsthafte diplomatische Konsequenzen haben könnte. "Wenn britische Staatsbürger in Großbritannien von Ausländern ermordet werden, schauen sie (Cobra) sehr genau hin", zitierte die "Sunday Times" Howells. Litvinenko hatte nach seiner Flucht nach Großbritannien vor sechs Jahren die britische Staatsbürgerschaft beantragt.

Nach einem Bericht von "The Independent on Sunday" geht die Polzei auch der Theorie nach, dass Litvineko sich selbst radioaktiv verstrahlt haben könnte, um den russsischen Präsidenten Wladimir Putin zu diskreditieren. Litvinenko hatte Putin in einem nach seinem Tod am Donnerstag verlesenen Abschiedsbrief direkt beschuldigt. Der frühere Agent des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB wurde nach seinem Ausstieg zu einem erbitterten Gegner des russischen Staatschefs.

(afp)
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