Festnahme in der Türkei 16-Jährigem drohen vier Jahre Haft wegen Beleidigung Erdogans

Ankara · Die türkischen Behörden ziehen die Zügel an: Ein Jugendlicher ist nach beleidigenden Äußerungen gegen Präsident Recep Tayyip Erdogan aus seiner Schule abgeführt und festgenommen worden.

Erdogan beleidigt: 16-Jährigem drohen vier Jahre Haft
Foto: Andreas Endermann

Wie die Zeitung "Hürriyet" am Donnerstag berichtete, hatte der 16-Jährige am Dienstag bei einem Schülerprotest in der Stadt Konya eine Rede gehalten und war tags darauf festgenommen worden. Dem Bericht zufolge bezeichnete er Erdogan als "diebischen Besitzer des illegalen Palastes". Er bezog sich damit auf die Korruptionsvorwürfe gegen die Regierung und den umstrittenen neuen Palast Erdogans mit 1150 Zimmern.

Mittlerweile ist der jugendliche wieder freigelassen worden. Medien berichteten am Freitag, die Justiz habe mit der Freilassung des 16-Jährigen auf eine Beschwerde von dessen Anwälten reagiert. Es war das erste Mal, dass ein Minderjähriger in der Türkei wegen Präsidentenbeleidigung inhaftiert wurde. Die Opposition warf der islamisch-konservativen Regierung daraufhin vor, in faschistische Methoden abzugleiten. Auch in sozialen Netzwerken im Internet machte sich Empörung breit. Den Berichten zufolge ist der Jugendliche Mitglied einer linken Gruppierung und äußerte sich am Mittwoch bei einer Kundgebung zum Gedenken an einen im Jahr 1930 von Islamisten getöteten jungen laizistischen Grundschullehrer.

Ministerpräsident Ahmet Davutoglu verteidigte die Festnahme am Donnerstag. "Dem Präsidentenamt muss Respekt gezeigt werden", sagte er. Der Jugendliche könnte für vier Jahre ins Gefängnis kommen, sollte er wegen Beleidigung des Präsidenten verurteilt werden.

Weiterer Fall sorgt für Aufsehen

Ein junger Türke, der im vergangenen Jahr bei den Protesten im Gezi-Park in Istanbul folgenschwere Verletzungen erlitt, ist laut Medienberichten zu einer mehrmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt worden. Wegen Widerstands gegen die Polizei bei einer anderen Demonstration verurteilte ein Jugendgericht den 17-jährigen Mustafa Ali Tonbul und vier seiner Freunde zu drei Monaten und zehn Tagen Gefängnis, wie türkische Medien am Donnerstag berichteten.

In Izmir, wo Tonbul lebt, hatte er an einer Demonstration zur Unterstützung der Gezi-Proteste teilgenommen. Zwei Wochen später wurde er in Istanbul durch einen Tränengaskanister lebensgefährlich verletzt. Unter den Folgen leidet er bis heute.

Tonbul fuhr nach eigenen Angaben zu einem Konzert in Istanbul und begab sich "aus Neugier" zum Gezi-Park, wo im Mai und Juni 2013 Proteste gegen ein Bauvorhaben stattfanden. Bei dem massiven Polizeieinsatz gegen die Demonstranten wurde er durch einen Tränengaskanister der Polizei so schwer am Kopf verletzt, dass die Ärzte einen Teil seines Schädels entfernen mussten, um sein Leben zu retten. Im Krankenhaus blieb mehrmals sein Herz stehen und er lag wochenlang im Koma. Monatelang befand er sich auf der Intensivstation. Bis heute leidet er unter Anfällen sowie Gedächtnis- und Sprachstörungen.

Er werde sich weiter widersetzen, "selbst wenn das lebenslange Haft bedeutet", zitierte die Zeitung "Milliyet" den Jugendlichen. "Ich hatte mit so einer Entscheidung gerechnet, aber was ich getan habe, war kein Verbrechen. Sie versuchen uns mit solchen Urteilen einzuschüchtern, aber ich habe keine Angst vor ihnen."

Bei den Polizeieinsätzen im Gezi-Park wurden acht Menschen getötet und tausende verletzt. Das harte Vorgehen der Sicherheitskräfte löste landesweite Proteste gegen den damaligen türkischen Regierungschef und heutigen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan aus.

(ap)
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