Nach Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet Wie Deutschland und Europa Hilfe leisten

Berlin/Brüssel · Im Grenzgebiet zwischen Syrien und der Türkei hat sich in der Nacht zu Montag ein schweres Erbeben ereignet. Bisher wurden mehr als 1800 Tote aus beiden Ländern gemeldet. Wie Deutschland und Europa Hilfe leisten.

Türkei/Syrien: Schweres Erdbeben - Tausende Tote
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Schweres Erdbeben erschüttert Türkei und Syrien

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Foto: dpa/Anas Alkharboutli

Bundeskanzler Olaf Scholz hat den Erdbebenopfern im türkisch-syrischen Grenzgebiet deutsche Hilfe zugesagt. Die Bundesregierung verfolge „mit Bestürzung“ die Nachrichten aus der Region, twitterte der Kanzler am Montag. „Wir trauern mit den Angehörigen und bangen mit den Verschütteten. Deutschland wird selbstverständlich Hilfe schicken“, kündigte er an, ohne Details zu nennen. Ähnlich äußerte sich Außenministerin Annalena Baerbock. „Wir werden mit unseren Partnern rasch Hilfe auf den Weg bringen“, schrieb sie auf Twitter. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeigte sich erschüttert von dem Ausmaß der Zerstörungen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser erklärte: „Wir werden alle Hilfen in Bewegung setzen, die wir aktivieren können.“ Das Technische Hilfswerk (THW) könne Lager mit Notunterkünften und Wasseraufbereitungs-Einheiten bereitstellen. Hilfslieferungen mit Notstromaggregaten, Zelten und Decken bereite das THW ebenfalls bereits vor. Es gebe hierzu eine enge Abstimmung mit dem türkischen Zivilschutz. Sie habe mit dem türkischen Botschafter in Berlin gesprochen „und unsere tief empfundene Anteilnahme ausgedrückt“. Das THW teilte mit, es sei „aktuell nicht in der Türkei vor Ort im Einsatz“, stehe aber in engem Austausch mit Regierung und Partnerorganisationen.

Nach Angaben des Auswärtigen Amtes leistet Deutschland über Organisationen auch Hilfe für die Erdbebenopfer in Nordwestsyrien. Dazu gehöre die Organisation Malteser International, sagte eine Ministeriumssprecherin in Berlin. Kontakte mit der syrischen Regierung gebe es aber nicht. Deutschland sei schon jetzt der zweitgrößte humanitäre Geber in Nordsyrien. Ein Krisenstab im Auswärtigen Amt koordiniere die Hilfe der Bundesregierung für die Erdbebenopfer. Der Bundeswehr lag nach Angaben einer Sprecherin des Verteidigungsministeriums zunächst keine Anfrage auf Amtshilfe vor.

Das gesamte Ausmaß der Schäden bei dem Beben der Stärke von 7,8 im Grenzgebiet zwischen Syrien und der Türkei war zunächst nicht klar. Bis zum Montagmittag wurden aus beiden Ländern insgesamt mehr als 1800 Tote und Tausende Verletzte gemeldet. Es handelte sich um das schwerste Beben in der häufig von Erdstößen erschütterten Türkei seit der Jahrtausendwende. In Nordwesten Syriens traf es eine Region, die ohnehin unter dem andauernden Bürgerkrieg besonders zu leiden hat.

Wie Europa in Katastrophenfällen Hilfe leistet

Angesichts des Erdbebens im türkisch-syrischen Grenzgebiet hat die EU ihren Katastrophenschutz-Mechanismus aktiviert. „Europäische Unterstützung ist bereits auf dem Weg“, schrieb EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Montag auf dem Kurzbotschaftendienst Twitter. Die Europäer seien bereit, „auf jede erdenkliche Weise zu helfen“.

Der europäische Katastrophenschutz bündelt die Kapazitäten der 27 EU-Länder sowie acht weiterer Staaten: Dies sind die Türkei, Albanien, Bosnien-Herzegowina, Serbien, Montenegro, Nordmazedonien, Norwegen und Island. Jedes Land der Welt, aber auch die Vereinten Nationen und andere Organisationen können in Notfällen um Unterstützung bitten.

Seit Gründung 2001 wurde das Katastrophenschutz-Verfahren über 600 Mal aktiviert, für Nothilfe innerhalb und außerhalb der Europäischen Union. Der bisher größte Einsatz läuft derzeit nach EU-Angaben in der Ukraine und in Nachbarländern wie Polen, der Slowakei und Moldau, wohin Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer geflohen sind.

Dafür lieferten die EU-Länder sowie Norwegen, die Türkei und Nordmazedonien nach Angaben der Europäischen Union „Millionen von dringend benötigten Posten wie Erste-Hilfe-Kästen, Ausrüstung für Notunterkünfte, Feuerlöschgeräte, Wasserpumpen, Stromgeneratoren und Treibstoff“ an das von Russland angegriffene Land.

Zuvor leisteten die Europäer etwa in der Corona-Pandemie Hilfe, nach tropischen Wirbelstürmen in Lateinamerika und Asien oder nach der Explosion im Hafen von Beirut im Libanon. Innerhalb der EU kommt das Instrument regelmäßig bei Waldbränden oder Überschwemmungen zum Einsatz. Alleine 2021 wurde der Mechanismus 114 Mal aktiviert.

Die Brüsseler EU-Kommission koordiniert die Einsätze und übernimmt nach eigenen Angaben mindestens 75 Prozent der Transport- oder operationellen Kosten. Ihre Rolle wurde im Zuge der Corona-Pandemie verstärkt. In bestimmten Bereichen, etwa bei medizinischen Einsatzteams, verfügt Brüssel mittlerweile auch über eigene Kapazitäten.

Zudem hat die EU eine eigene strategische Reserve angelegt. Sie umfasst unter anderem Löschflugzeuge, Generatoren, Wasserpumpen und Treibstoff sowie medizinisches Gerät, Arzneimittel oder Schutzmasken.

Auch das europäische Satellitensystem Copernicus kann zum Einsatz kommen, wie nun beim Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet. Es liefert für die Rettungskräfte wichtige Karten der betroffenen Gebiete.

Im Zuge des russischen Angriffskriegs soll der Katastrophenschutz zudem in Bereichen verstärkt werden, die bisher weniger im Blickpunkt waren: Dazu gehören chemische, biologische und nukleare Vorfälle. So sagte der für den Krisenschutz zuständige EU-Kommissar Janez Lenarcic im Herbst, die EU habe an Anwohner umkämpfter Atomkraftwerke in der Ukraine fünf Millionen Jodtabletten geliefert.

(mzu/AFP/Reuters)
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