Nur noch ein Grenzübergang offen Bürgerkrieg erschwert Hilfe für Erdbebenopfer in Syrien

Paris · Nach dem verheerenden Erdbeben in der türkisch-syrischen Grenzregion ist die internationale Solidarität groß. Doch Hilfe für die Opfer im Bürgerkriegsland Syrien gestaltet sich schwierig und ist diplomatisch heikel.

Erdbeben Türkei/Syrien: Die Bergungsarbeiten am Tag danach
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Schweres Erdbeben in der Türkei – Bergungsarbeiten und Hilfsgüter

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Foto: dpa/Anas Alkharboutli

Die Bundesregierung setzt deshalb auf die Kooperation mit Hilfsorganisationen vor Ort. Bereits wenige Stunden nach dem Beben am Montag machten sich Hilfsorganisationen aus vielen Ländern auf den Weg in die Türkei. Unter anderem Deutschland, Frankreich und die USA versprachen, auch den syrischen Opfern zu helfen, ohne jedoch sofort Hilfe loszuschicken. „Syrien bleibt in rechtlicher und diplomatischer Hinsicht eine Grauzone“, sagt Marc Schakal, der Leiter des Syrien-Programms der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen. Er dringt darauf, „so schnell wie möglich“ Hilfe zu schicken.

Schakal befürchtet, dass die lokalen und internationalen Hilfsorganisationen mit der Situation in Syrien überfordert sein werden. Dort herrscht seit zwölf Jahren Bürgerkrieg, Rebellen, Dschihadisten, kurdische Kräfte und Regierungstruppen stehen sich gegenüber, Machthaber Baschar al-Assad wird von Russland und dem Iran unterstützt und vom Westen geächtet.

Türkei/Syrien: Schweres Erdbeben - Tausende Tote
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Schweres Erdbeben erschüttert Türkei und Syrien

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Foto: dpa/Anas Alkharboutli

Die Hilfe für Syrien sei besonders dringend, da „die Lage der Bevölkerung bereits vor dem Erdbeben dramatisch war“, sagt Raphaël Pitti von der französischen Nichtregierungsorganisation Mehad. Er sorgt sich vor allem um die Menschen in der Provinz Idlib. In der von Rebellen und Islamisten kontrollierten Region im Nordwesten Syriens leben 4,8 Millionen Menschen, die nur schwer erreicht werden können. Fast die gesamte humanitäre Hilfe kommt über Bab al-Hawa - den einzigen, durch eine UN-Resolution garantierten Übergang der türkisch-syrischen Grenze.

Damaskus und Moskau sehen durch den Übergang die syrische Souveränität verletzt, im Laufe der Zeit wurde Bab al-Hawa immer weiter verkleinert. Durch die Mengen an dem nach dem Erdbeben benötigtem Material könnte die Passage demnächst schnell verstopft sein. Dass andere frühere Grenzübergänge wieder geöffnet werden, halten Experten für unwahrscheinlich. Vor allem Russland müsse seine Blockade von Grenzübergängen beenden, um „mehr humanitäre Hilfe nach Idlib hereinzulassen“, forderte Grünen-Chef Omid Nouripour.

Die Lieferung von Hilfsgütern aus von der Regierung kontrolliertem syrischen Gebiet wäre diplomatisch problematisch. Voraussetzung dafür wäre, dass Damaskus sie an die Bevölkerung im Rebellengebiet weitergäbe und sich die Kriegsparteien über die Verteilung einigen würden.

Die syrische Regierung hat die internationale Gemeinschaft wegen der Erdbebenschäden dringend um Unterstützung gebeten. Der syrische UN-Botschafter Bassam Sabbagh versicherte am Montag, dass die Hilfe „allen Syrern im ganzen Land“ zugute kommen werde, machte es jedoch zur Bedingung, dass sie aus dem von Damaskus kontrollierten Landesinneren geliefert werden müsse.

Ob westliche Länder sich darauf einlassen, bleibt fraglich. „Es geht darum, Menschen in Not zu helfen, und diese Hilfe muss natürlich auf allen möglichen Wegen die Menschen erreichen“, sagte die Sprecherin des Auswärtigen Amtes, Andrea Sasse, am Montag.

Die Bundesregierung will demnach bei der Erdbebenhilfe mit den internationalen Organisationen zusammenarbeiten, mit denen sie bereits bisher humanitäre Hilfe in der Region leistete. So sei die Hilfsorganisation Malteser International im Nordwesten Syriens aktiv. Die Hilfen für die in Syrien tätigen Partner-Organisationen werde die Bundesregierung um eine weitere Million Euro aufstocken, sagte Sasse.

Pitti geht davon aus, dass Erdbebengebiete, die unter der Autorität Damaskus' stehen, wahrscheinlich internationale Hilfe erhalten. Er fürchtet, dass Idlib, wo auch 2,8 Millionen Binnenflüchtlinge leben, leer ausgehen könnte, zumal das Nachbarland Türkei mit den eigenen Opfern beschäftigt sei.

Am schnellsten könnte die Hilfe aus den Vereinigten Arabischen Emiraten die syrischen Erdbebenopfer erreichen. Bereits am Montag sagte das Land 13,6 Millionen Dollar (12,7 Millionen Euro) Unterstützung zu.

(zim/AFP)
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