Frankreichs Präsident im Libanon Menschen in Beirut beschimpfen Macron als Mörder

Beirut · Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron ist in der libanesischen Hauptstadt Beirut eingetroffen. Er will bei seinem Besuch Grundlagen für den Wiederaufbauvertrag für das Mittelmeerland schaffen. Anwohner beschimpften Macron jedoch bei seiner Ankunft.

 Emmanuel Macron verschaffte sich in Beirut einen Überblick nach der gewaltigen Explosion.

Emmanuel Macron verschaffte sich in Beirut einen Überblick nach der gewaltigen Explosion.

Foto: AFP/-

Nach den verheerenden Explosionen in Beirut mit mindestens 130 Toten ist Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron in der libanesischen Hauptstadt eingetroffen. Dort kommt er am Donnerstag mit seinem libanesischen Amtskollegen Michel Aoun, Regierungschef Hassan Diab und Parlamentspräsident Nabih Berri zusammen. „Der Libanon ist nicht allein“, twitterte Macron bei seiner Ankunft auf Französisch und Arabisch. Anwohner reagierten jedoch wütend auf seine Ankunft.

Macron hat von einer „historischen Verantwortung“ für die politische Führung im Libanon gesprochen. „Es handelt sich um eine politische, moralische, wirtschaftliche und finanzielle Krise, deren erstes Opfer das libanesische Volk ist, und sie erfordert extrem schnelle Reaktionen“, sagte Macron am Donnerstag nach seiner Ankunft in Beirut.

Bei einer Tour durch eine zerstörte Gegend im Zentrum von Beirut wurde Frankreichs Staatschef von wütenden Anwohnern empfangen. „Warum sind Sie gekommen?“, riefen einige von Balkons herunter. „Ihr seid alles Mörder“, schrie eine Frau unter Tränen. „Wo waren Sie gestern? Wo waren Sie am Vortag? Wo waren Sie, als diese Bomben im Hafen gelagert wurden?“ Andere beschimpften den libanesischen Präsidenten Michel Aoun als „Terrorist“. Wütenden Libanesen versprach Macron auf der Straße, am 1. September wiederzukommen.

Die Unterstützung und Solidarität Frankreichs seien selbstverständlich. Er sei gekommen, um den Libanesen Frankreichs Freundschaft und Brüderlichkeit zu bringen, sagte Macron. Man müsse zusätzliche französische und europäische Unterstützung organisieren. Frankreich wolle dies „in den kommenden Stunden“ organisieren. Macron kündigte an, dass am Donnerstag weitere französische Polizei- und Ermittlungsteams im Libanon ankommen werden.

„Heute steht die Hilfe, die Unterstützung für die Bevölkerung im Vordergrund. Bedingungslos.“ Frankreich dringe aber bereits seit Jahren auf Reformen in den Bereichen Energie oder Korruptionsbekämpfung. „Wenn diese Reformen nicht durchgeführt werden, wird es mit dem Libanon weiter abwärts gehen“, mahnte Macron. Dies sei ein weiterer Dialog, den man führen müsse.

Der Libanon war früher Teil des französischen Mandatsgebiets im Nahen Osten, die beiden Länder sind immer noch eng verbunden. In Frankreich leben heute zahlreiche Libanesen. Bei der Explosion am Dienstag wurde auch der französische Architekt Jean-Marc Bonfils getötet, der historische Gebäude restaurierte, die im Bürgerkrieg (1975-1990) zerstört wurden. Frankreichs Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen „fahrlässiger Tötung". Die Untersuchung war am Mittwoch zunächst wegen „fahrlässiger Körperverletzung" eingeleitet worden. Die Zahl der verletzten Franzosen sei mittlerweile auf mindestens 40 gestiegen, teilte die Pariser Behörde am Donnerstag mit.

Macron strebt einen Wiederaufbauvertrag für das Mittelmeerland an und will bei seinem Besuch dafür die Grundlage schaffen. Ob dabei internationale Partner eingebunden werden sollen, blieb zunächst offen. Macron hatte bereits unmittelbar nach der Katastrophe im Hafen von Beirut Unterstützung zugesagt.

Hinweis: Die Beschimpfungen richteten sich nach Ansicht der Fernsehbilder wohl hauptsächlich gegen libanesische Politiker, die Macron begleiteten und in erster Linie nicht gegen den französichen Präsidenten. Die Darstellung, dass Macron selbst beschimpft wurde, stammt von der Deutschen Presse-Agentur.

(ahar/juw/dpa/AFP)
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