"Hitchbot" Ein Roboter trampt allein durch Kanada

Toronto · Ein einzigartiges Projekt begeistert derzeit die Kanadier. Wissenschaftler lassen einen Roboter mit ausgestrecktem Daumen durchs Land reisen. Wer will, darf ihn mitnehmen. Der "Hitchbot" spricht und braucht nur ab und zu Strom.

So trampt "Hitchbot" allein durch Kanada
7 Bilder

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Ausgerechnet ein Konstrukt aus Schwimmnudeln, Gummistiefeln, Handschuhen, einem Eimer und einer Kuchenhaube erobert derzeit die Herzen der Kanadier. "Hitchbot" heißt der kleine Kerl, eine Mischung aus "hitchhiken" für trampen und Roboter. Denn genau das ist Hitchbot - ein kleinkindgroßer Roboter, der auf eigene Faust durch Kanada trampt. Die deutsche Kommunikationsprofessorin Frauke Zeller von der Ryerson Universität in Toronto hat das einzigartige Projekt mit ihrem Kollegen David Smith ausgeheckt. Während normalerweise Misstrauen gegenüber Robotern existiert, interessierte die beiden, ob Roboter auch Menschen vertrauen können. Bisher lässt sich die Frage mit einem klaren "Ja" beantworten: Rund 1000 Kilometer ist Hitchbot bereits unterwegs und immer noch intakt.

Der Roboter ist auf seiner Reise komplett auf fremde Hilfe angewiesen. Wer ihn mitnehmen will, muss ihn selbst ins Auto tragen. Das Gesicht besteht aus einem LED-Smiley. Betrieben wird der Hitchbot mit Solarzellen, kann aber auch per Kabel an eine Steckdose oder den Zigarettenanzünder im Auto angeschlossen werden. Verbaut ist ein Tablet-Computer, dazu besitzt der Roboter ein GPS, über das sich seine Route verfolgen lässt. Gestartet ist er in Nova Scotia im Osten, bis zum Ende des Sommers soll er Victoria im Westen erreichen, rund 6000 Kilometer vom Ausgangsort entfernt. Umwege sind willkommen, der Weg ist auch bei Hitchbot das Ziel.

Dabei kann der reiselustige Roboter ein unterhaltsamer Gefährte sein. Er spricht, weiß dank Wikipedia-Schnittstelle mit Fakten aufzutrumpfen, und kennt etwa die neuesten Wetterdaten. Reiseabschnittsgefährten berichten davon, dass Hitchbot mit ihnen auch über Eishockey und die Existenz Gottes philosophiert habe. Man könne ihm aber auch sagen, dass er still sein soll, weil man die Landschaft genießen will, erzählt Erfinderin Zeller. All das hat mit dazu beigetragen, dass Hitchbot nach nur wenigen Tagen in Kanada zum Medienstar avanciert ist. Menschen posten auf Facebook und Twitter Fotos mit dem skurrilen Gerät und wünschen ihm eine gute Weiterreise. Hitchbot fotografiert ab und zu auch selbst - die Bilder zeigen mal einen Wohnwagen von innen, eine Stehparty oder nur die Rückseites eines Vordersitzes. Wer will, kann dem Roboter zudem eine 60 Sekunden lange Geschichte erzählen.

Ob Hitchbot jemals am Ziel ankommt, ist ungewiss. Sorgen, dass ihrem Schützling etwas zustoßen könnte, macht sich Zeller nach anfänglicher Skepsis inzwischen keine mehr. "Natürlich kann immer etwas passieren, zum Beispiel ein Unfall oder so. Aber so viele Menschen wissen inzwischen von dem Projekt und unterstützen es. Das Ganze hat sich für die Kanadier wirklich zu einer Art nationalem Stolz entwickelt, und viele wollen mitmachen." Die Teilnahme über soziale Medien habe sie überrascht, viele Menschen würden Beschützerinstinkte für Hitchbot entwickeln, obwohl sie ihm nicht einmal begegnen. Es zeige, dass Roboter zwar als vom Menschen geschaffene, aber auch von ihm abhängige Wesen begriffen würden. Sollte Hitchbot sein Ziel erreichen, sind bereits weitere, längere Reisen geplant. Durch die USA soll es gehen, und vielleicht auch, so Zellers Traum, durch Europa. Keine Frage, dieser Robo ist ein Tramp.

(RP)
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