Gigantisches Landgewinnungsprojekt Ein neues Monaco aus dem Meer

Monte Carlo · Für Träume war es schon immer gut, das kleine Monaco, Jet-Set-Paradies und Fürstentum an der französischen Mittelmeerküste. Vor allem vom Meer aus, beim Anflug mit dem Helikopter aus dem nahegelegenen Nizza, entfaltet sich die Traumkulisse des Milliardärs-Eldorado mit seinem Yachthafen, dem Casino, dem Fürstenpalast und den Edelboutiquen in voller Breite.

Monaco - Reich der Grimaldis
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Doch schon beim zweiten Blick erschließt sich schnell auch der alltägliche Albtraum Monacos: Der auf zwei Quadratkilometer Felsen erbaute Mini-Staat platzt aus allen Nähten.

Jeden Morgen schwillt die Bevölkerung Monacos um mehrere Tausend Pendler an, um abends wieder abzunehmen. Auf den Zufahrtstraßen bilden sich zu Stoßzeiten kilometerlange Staus. Statt Salzwasser riecht es nach Abgasen, statt Meeresrauschen herrscht dröhnender Baulärm. Überall ragen Kräne in den Himmel. Häuser werden abgerissen, neue in die Höhe gebaut. Wer früher noch freien Blick auf den Fürstenpalast hatte, sieht seine Aussicht heute meistens durch nackte Betontürme verstellt.

Das am dichtesten besiedelte Land der Erde

Der einst charmant-verschlafene Operettenstaat gleicht schon längst einer boomenden Hochhaus-Stadt. Freie Bauflächen gibt es so gut wie keine mehr. Das ist ein Problem für das zweitkleinste und mit rund 35.000 Einwohnern schon jetzt am dichtesten besiedelte Land der Erde. Denn um seine wirtschaftliche Entwicklung zu gewährleisten, muss Monaco alle zehn Jahre schätzungsweise bis zu 350.000 zusätzliche Quadratmeter aufbringen.

Die Lösung kann kaum mehr aus der Höhe kommen. Also muss sie der Zwergstaat sprichwörtlich aus dem Wasser holen: Ein neues Monaco soll aus dem Meer steigen. Fürst Albert II. und seine Regierung wollen sechs Hektar Bauland durch ein neues Projekt der Landgewinnung erschließen. Dazu soll schräg gegenüber des Kongresszentrums "Grimaldi Forum" zunächst eine Art riesenhafte Unterwasser-Bodenplatte im Meer befestigt werden. Geschätzte Kosten allein hierfür: rund eine Milliarde Euro.

Darauf könnte dann bis 2024 der pure Luxus entstehen: Ein Edel-Öko-Viertel, so der Plan, mit Häusern von bis zu zehn Stockwerken — Nobelappartements für internationale Geldgeber, Geschäfte, Büros und Unterwasser-Tiefgaragen sowie, standesgemäß natürlich, ein neuer Yachthafen. Für dieses außergewöhnliche Projekt sucht der Zwergstaat nun einen Investor, der — laut Ausschreibung - "Landschaftsbild und städtische Identität respektieren" soll.

Der umweltpolitische Aspekt spielt dabei eine wesentliche Rolle. Denn das neue Bauland liegt ausgerechnet zwischen zwei sensiblen Meeresschutzgebieten: Larvotto im Osten des Fürstenstaats und dem mit Unterwasserhöhlen durchsetzten Areal Spélugues vor Monte-Carlo. Hier gedeiht, neben Korallen und Zackenbarschen, eine "sehr große Artenvielfalt, die bewahrt und entwickelt werden muss", wie es in der Regierung heißt.

Fürstentum will als grüner Vorreiter-Staat fungieren

Der ebenso sportbegeisterte wie ökobewusste Albert verspricht daher strenge Umweltauflagen. Schließlich kämpft er schon lange für ein Image des Fürstentums, das als Luxus-Eldorado nicht nur neue Investoren aus aller Welt anlocken, sondern gleichzeitig auch als grüner Vorreiter-Staat fungieren soll.

Aus finanziellen und ökologischen Gründen scheiterte daher bereits ein erster Landgewinnungs-Plan: Kurz nach seiner Inthronisierung 2005 hatte Albert ein Milliardenprojekt für eine 15 Hektar große Landzunge angestoßen, um das die beiden Stararchitekten Norman Foster (Reichstagskuppel) und Daniel Libeskind (Jüdisches Museum Berlin) konkurrierten. 2008 blies der Fürst das Vorhaben jedoch ab — wegen der Umwelt und der Finanzkrise, die auch das Milliardärs-Paradies Monaco damals nicht verschonte.

Inzwischen ist der Zwergstaat aber wieder optimistischer: "Monaco hat die Krise hinter sich gelassen", sagte Regierungschef Michel Roger bei der Vorstellung der Baupläne, die weit weniger ambitiös ausfallen, als das ursprüngliche Vorhaben. "Wir stehen wieder auf stabilem Grund", so Roger. Der Grund wurde übrigens schon mehrmals in Monaco erweitert: Der Stadtteil Fontvieille etwa, ganz im Südwesten des von Frankreich umschlossenen Staats, wurde in den 1960er Jahren fast vollständig dem Meer abgerungen. Doch auch dort könnte der Platz bald wieder knapp werden. Die Regierung schließt nicht aus, dass sie das 22 Hektar große Viertel in der Zukunft noch einmal wird erweitern müssen — das wäre dann ein weiteres Traumprojekt.

(jco/felt)
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