Es war Anfang Mai, als bei der Polizei der Notruf einging. "Ich bin entführt, und ich werde seit zehn Jahren vermisst. Und ich bin hier. Und ich bin jetzt frei", sagte Amanda Berry, die einen Tag vor ihrem 17. Geburtstag verschleppt worden war. Genauso wie Gina DeJesus und Michele Knight. Zehn Jahre hatte sie ihr Kidnapper in der Gewalt, dann kam für die Familien die erlösende Nachricht, dass alle drei noch leben.

Doch sie müssen Unvorstellbares in jenem Haus erlebt haben. Die Rede war von Ketten, von Missbrauch, von Faustschlägen in den Bauch einer der Frauen, die zu Fehlgeburten führten. Ein Kind wurde während der Gefangenschaft geboren, auch das konnte befreit werden. Ihrem Entführer, Ariel Castro, droht nun die Todesstrafe. Er hat bereits angekündigt, dass er auf unschuldig plädieren wolle. Und während ihr Peiniger vor Gericht steht, versuchen die drei Frauen, ein neues Leben zu beginnen.

Amanda Berry: "Ich werde jeden Tag stärker"

Nach der spektakulären Befreiungsaktion zogen sich Berry, DeJesus und Knight komplett aus der Öffentlichkeit zurück. Nun aber haben sie sich erstmals wieder gezeigt — per Video, dass am Montagabend auf Youtube gestellt wurde. Darin bedanken sie sich für all die Unterstützung, die sie in den vergangenen Monaten erfahren haben.

Die drei Frauen wurden einzeln in einem Anwaltsbüro Anfang Juli interviewt. Etwas mehr als drei Minuten geht das Video. Zuerst ist Amanda Berry zu sehen, jene junge Frau, die damals den Notruf wählte. Sie wirkt gefasst und entschlossen, bedankt sich bei allen, die ihr geholfen haben. "Als erstes möchte ich sagen, wie glücklich ich bin, dass ich zu Hause bin mit meiner Familie und meinen Freunden", sagt die dunkelblonde Frau mit dem Piercing in der Augenbraue. Sie liest von einem Zettel ab, hebt nur gelegentlich den Kopf.

"Ich werde jeden Tag stärker", fügt sie hinzu. "Und ihre Privatsphäre zu haben, helfe dabei ungemein." Deshalb bittet sie die Öffentlichkeit auch um Verständnis, dass alle drei Frauen diese weiterhin genießen wollten und bedanken sich schon vorab dafür. "Gebt uns Zeit, ein normales Leben zu führen", sagt Berry noch.

Mit nur wenigen Worten bedankt sich die Gina de Jesus. Sie trägt ein dreifarbiges Sommerkleid, lächelt in die Kamera. Dann aber überlässt sie ihren Eltern, die sie begleitet haben, das Wort, schaut sie dabei mit festem Blick an. Auch diese bedanken sich für all die Unterstützung, die sie in den vergangenen Jahren erfahren haben — insbesondere von den Nachbarn, wie die Mutter betont. "Sie wissen, wer sie sind", sagt sie ohne Namen zu nennen.

Michele Knight: "Ich schaue vorwärts"

Eindrucksvoll schildert schließlich Michele Knight ihre Erfahrungen. Die junge Frau mit der Brille möchte alle wissen lassen, "das es mir gut geht". "Ich bin durch die Hölle und zurückgegangen, schildert sie."Aber ich bin stark genug, das durchzustehen mit einem Lächeln in meinem Gesicht." Dabei blickt sie von ihrem Zettel, von dem sie abliest, ab und schaut demonstrativ in die Kamera. Es ist ein eindrucksvoller Moment, in dem man merkt, welchen Überlebenswillen diese junge Frau haben muss.

"Wir sind von Menschen verletzt worden", fügt Knight hinzu. "Aber wir müssen auf Gott vertrauen." Er habe einen Plan für alle Menschen auf der Welt. "Und der Plan für mich ist es, anderen zu helfen, die in der gleichen Situation sind wie ich", sagt sie. Und dann fügt sie noch hinzu: "Ich schaue vorwärts in meinem brandneuen Leben."

Das Video ist gerade einmal drei Minuten 30 lang, und doch zeigt es eindrucksvoll drei starke Frauen, die den Willen haben, ein neues Leben zu beginnen. Und die dankbar sind, dass sie diese Chance haben — auch dank der Unterstützung vieler Menschen, ob nun aus der Familie, von Freunden oder von völlig Fremden aus der ganzen Welt.