Prozess in Lille Strauss-Kahn wegen Zuhälterei vor Gericht

Paris · In dem dreiwöchigen Prozess soll die Rolle des früheren IWF-Chefs in einem Callgirl-Ring geklärt werden. Die Prostituierten, die ihn zusammen mit Honoratioren aus Lille trafen, beschreiben den Finanzexperten als einen brutalen, triebgesteuerten Mann.

Eine Chronologie der Affäre Strauss-Kahn
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Foto: AFP

Ganz so filmreif wie in New York wird es heute in Lille nicht zugehen. Denn der einstige Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss-Kahn, wird nicht wie im Mai 2011 unrasiert nach zwei Nächten in Haft vor Gericht erscheinen - unter dem Blitzlichtgewitter der Fotografen. Trotzdem ist es wieder eine Sex-Affäre, deretwegen sich der frühere französische Finanzminister vor der Justiz verantworten muss. Er nahm im nordfranzösischen Lille, in Paris, Brüssel und Washington an Sex-Partys mit Prostituierten teil. Der 65-Jährige will nicht gewusst haben, dass es sich um bezahlten Sex handelte. Aber DSK, wie er in Frankreich genannt wird, könnte sogar seine mutmaßlichen Komplizen dazu gebracht haben, neue Callgirls für seine Orgien anzuheuern. "Schwere gemeinschaftliche Zuhälterei" lautet deshalb der Vorwurf.

Die sogenannte Carlton-Affäre war wenige Monate nach dem Karriere-Aus des einstigen Hoffnungsträgers der Sozialisten ans Licht gekommen. Strauss-Kahn musste am 18. Mai 2011 zurücktreten, nachdem er ein Zimmermädchen im New Yorker Luxushotel Sofitel zum Oralsex gezwungen haben soll. Auch wenn Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Hotelangestellten zu einer Einstellung des Strafverfahrens führten, kamen mit der Sofitel-Affäre auch andere sexuelle Übergriffe ans Licht.

Auch die Prostituierten, die ihn zusammen mit Honoratioren aus Lille trafen, beschreiben den Finanzexperten als einen brutalen, triebgesteuerten Mann. "Er hat mich am Nacken gepackt, an den Haaren, den Handgelenken", zitiert die Zeitung "Le Parisien" aus dem Vernehmungsprotokoll von Mounia, die in Lille als Nebenklägerin auftreten will.

Strauss-Kahn hatte schon ein Jahr nach seiner Ernennung als IWF-Chef Schlagzeilen gemacht, als eine Mitarbeiterin ihm vorwarf, sie zu einer Affäre gezwungen zu haben. Doch die Finanzinstitution, die DSK seit 2007 leitete, sprach ihrem Direktor das Vertrauen aus. Auch die französischen Sozialisten setzten weiter auf den Politiker, der bis zu seiner Festnahme in New York bereits als ihr nächster Präsidentschaftskandidat galt.

Nun steht Strauss-Kahn, dessen Ehe mit der prominenten Fernsehjournalistin Anne Sinclair an der Sofitel-Affäre zerbrach, zum zweiten Mal innerhalb von vier Jahren vor Gericht. Zusammen mit dem prominenten Angeklagten, der inzwischen die serbische Regierung berät und zum Aufsichtsrat einer russischen Bank gehört, müssen sich 13 mutmaßliche Komplizen verantworten. Darunter sind bekannte Persönlichkeiten von Lille wie der Bauunternehmer David Roquet und der Polizeikommissar Jean-Christophe Lagarde, Sicherheitschef des Departements Nord.

Ihre Namen werden bei der Anklageverlesung in einem Atemzug genannt mit dem belgischen Bordellbesitzer Dominique Alderweireld, der die Prostituierten besorgt haben soll. Der auch unter dem Namen "Dodo, der Salzhering" bekannte bullige Unternehmer spricht als einziger ganz offen über seine Vorbereitungen für den Prozess: "Ich habe mir in Spanien meine Zähne bleichen lassen und habe meinen Sonntagsanzug rausgelegt", sagte er der Gratiszeitung "Metronews".

(RP)
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