Nach Panne in Reaktor Deutschland liefert frische Brennelemente für belgische Akw

Düsseldorf · Die Posse um die belgischen Akw Doel und Tihange geht weiter: Obwohl die deutsche Regierung sich für ihre Abschaltung einsetzt, genehmigt sie weiterhin die Ausfuhr von Brennelementen, die in Deutschland produziert werden. Atomkraft-Gegner sind empört.

 Atomkraftwerk Doel in Belgien nahe Antwerpen (Archiv).

Atomkraftwerk Doel in Belgien nahe Antwerpen (Archiv).

Foto: dpa, jw jak kde

Doel und Tihange stehen für viele Bürger, die in der belgischen Grenzregion wohnen, für die Angst vor einem atomaren Ernstfall. Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass der Reaktor 1 des Atomkraftwerks Doel wohl bis Oktober abgeschaltet bleibt. Der Grund: ein Leck im Kühlwasserkreislauf des Reaktors, das sehr kompliziert zu reparieren ist. Deswegen hat der Betreiber Engie-Electrabel beschlossen, den ohnehin für Mai geplanten Wartungszeitraum vorzuziehen.

Wartung - das bedeutet bei Kernreaktoren auch, dass Brennelemente austauscht werden, die zur Energiegewinnung benötigt werden. Das Kuriose an diesem Fall: Die Brennelemente für das Akw Doel stammen ausgerechnet aus Deutschland. Im niedersächsischen Lingen steht eine Brennelemente-Fabrik. Sie gehört einer Tochterfirma des französischen Atomkonzerns "Framatome" ANF (Advanced Nuclear Fuels GmbH). Weil die Fabrik auf deutschem Boden steht, fällt sie auch unter die Bestimmungen des deutschen Atomgesetzes und damit unter die Aufsicht des Bundesministeriums für Umwelt und Reaktorsicherheit. Das Ministerium und nachgeordnete Behörden müssen den Transport und die Ausfuhr von Brennelementen genehmigen.

Das ist jüngst wieder passiert, wie aus der Liste für Beförderungsgenehmigungen des Bundesamts für kerntechnische Entsorgungssicherheit hervorgeht. (Das Dokument ist hier online einsehbar.) Zwischen dem 18. März und dem 4. April 2018 wurden fünfmal Brennelemente entweder nach Doel oder nach Tihange geliefert. Hauptsächlich aber - und das geht aus einer offiziellen Antwort auf die Anfrage des Linken-Bundestagsabgeordneten Hubertus Zdebel hervor - waren sie für die Reaktorblöcke 1 und 2 des Atomkraftwerks in Doel bestimmt (Bundestags-Drucksache 19/1126, Frage 149/150).

Die belgischen Pannenreaktoren werden also auch mit Hilfe von in Deutschland produzierten und von der Bundesregierung genehmigten Brennelementen betrieben. "Wir müssen jetzt politisch endlich regeln, dass das in Zukunft nicht mehr passiert", sagt Zdebel von der Linken. Nach dem Ausstieg aus der Atomenergie sei nun auch der konsequente Schritt, die Ausfuhr von Kernbrennstoffen aus Lingen und Gronau zu verhindern. In Gronau steht nämlich eine Uran-Anreicherungsanlage, die von der Urenco-Gruppe betrieben wird, einem trinationalen Unternehmen, an dem Deutschland, Großbritannien und die Niederlande beteiligt sind. Gronau liefert angereichertes Uran auch nach Lingen.

"Was muss in Doel und Tihange eigentlich noch passieren, bevor das Bundesumweltministerium und die Bundesregierung die Reißleine ziehen, um die brisanten Exporte von Brennelementen und angereichertem Uran für den AKW-Betrieb in Belgien einzustellen?", fragt Jörg Schellenberg vom Aachener Aktionsbündnis gegen Atomenergie.

Dass das auf Bürger paradox wirkt, ist der Bundesregierung bewusst. Dort hat in der vergangenen Legislaturperiode Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD), selbst Nordrhein-Westfälin, darauf hingewirkt, die Exporte zu unterbinden. Sie gab zwei Gutachten in Auftrag, die untersuchen sollten, wie man die Transporte rechtssicher unterbinden kann, so dass beispielsweise keine Schadensersatzansprüche entstehen.

Auch ihre Nachfolgerin Svenja Schulze (SPD) kennt sich als ehemaliges Mitglied der nordrhein-westfälischen Landesregierung mit der Problematik aus. "Ziel des BMU ist es zu verhindern, dass Kernbrennstoffe aus deutscher Produktion in Anlagen im Ausland, deren Sicherheit aus deutscher Sicht zweifelhaft sind, zum Einsatz kommen", heißt es aus dem Bundesumweltministerium. Inwieweit dieses Ziel rechtssicher erreicht werden könne, werde innerhalb der Bundesregierung geprüft. Wie weit man damit gekommen ist, geht aus der Stellungnahme nicht hervor.

Die Bundestagsfraktion der Linken hat Ende Februar einen Beschlussantrag gestellt, um den Export von Brennelementen zu stoppen. Der wird im Juni im Umweltausschuss beraten.

(heif)
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