Schiffsentführungen Die Piraten überspannen den Bogen

Düsseldorf (RPO). Die Weltgemeinschaft bekommt das Piraten-Problem am Horn von Afrika einfach nicht in den Griff. Trotz zunehmender Militärpräsenz gehen die Seeräuber seelenruhig ihrem Geschäft nach. Nun wird fieberhaft nach Lösungen gesucht: Mehr Schiffe oder einfach nur härter durchgreifen? Fest steht: Es muss etwas passieren.

2009: Deutsche Schiffe im Visier der Piraten
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2009: Deutsche Schiffe im Visier der Piraten

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Foto: AFP

Die "MS Victoria" war eine leichte Beute für die Piraten. Schnell ging es, am hellichten Tag. Mit ihrer niedrigen Geschwindigkeit und der niedrigen Reling war der Frachter besonders angreifbar. Der Hubschrauber, den eine türkische Fregatte zur Hilfe schickte, kam zu spät. Jetzt befinden sich die elf rumänischen Besatzungsmitglieder in der Hand der Seeräuber.

Der Frachter, der der Reederei Intersee im emsländischen Haren gehört, war mit Reis auf dem Weg von Indien nach Saudi-Arabien. Jetzt hat sich der Kurs geändert. Das Piratennest Eyl an der somalischen Küste ist der neue Bestimmungsort, dort parken bereits diverse gekaperte Schiffe. Und es werden immer mehr.

Die Piraten haben ihre Aktivitäten zuletzt deutlich gesteigert. Das Geschäft läuft gut, trotz der militärischen Präsenz in der Region musste ihr Geschäft nicht leiden. Derzeit befinden sich mindestens 19 Schiffe mit rund 250 Seeleuten in der Gewalt der Piraten. Nach Angaben des Internationalen Schifffahrtsbüros (IMB) haben sich die Angriffe in den ersten Monaten 2009 im Vergleich zum selben Vorjahreszeitraum verzehnfacht.

Zudem wurden die ersten Lösegelder offenbar mit Bedacht reinvestiert - Hintermänner in Kenia und sogar in London sollen die Strippen ziehen. Mit der Geldzufuhr soll nun Schluss sein. Aus der Politik mehren sich Stimmen, die ein hartes Eingreifen fordern. Die Piraten haben, zumindest nach dem Geschmack von Politik und Reedern, den Bogen überspannt. Doch wie lässt sich das Problem möglichst geräuschlos lösen?

Höhere Militärpräsenz gefordert

"Wir halten es angesichts der steigenden Zahl der Angriffe und Schiffsentführungen für dringend geboten, dass die internationale Gemeinschaft ihre Militärpräsenz zur Sicherung der Handelsschifffahrt ausweitet", sagte Hans-Heinrich Nöll, Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder, der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

Die Zunahme der Piratenattacken zeigten, dass die bisherigen Bemühungen nicht ausreichend seien, um die Seegebiete im Golf von Aden und im Indischen Ozean unter Kontrolle zu bekommen, erklärte Nöll. "Wir haben es hier nicht mit einem deutschen, europäischen oder amerikanischen Problem zu tun, sondern mit einem globalen. Deshalb muss auch die Antwort global ausfallen", sagte er und fügte hinzu: "Dass auch China, Japan und Indien bereits Kriegsschiffe entsandt haben, unterstreicht die Dimension des Problems." Eine Koordination der unterschiedlichen Verbände gibt es jedoch nicht.

Auch in der Politik wächst der Handlungsdruck: Bereits in der letzten Woche sollte die Bundespolizei-Spezialeinheit GSG9 das gekaperte Schiff "Hansa Stavanger" mit fünf Deutschen an Bord befreit werden, doch die Operation wurde in letzter Minute abgeblasen. Allerdings zeigte sich im Vorlauf, dass Polizei und Bundeswehr nicht über die logistischen Ressourcen verfügen, um eine solche Kommandoaktion in Eigenregie durchführen zu können.

In Expertenkreisen ist das richtige Rezept gegen die Piraten ebenfalls umstritten: Die Vorschläge reichen von der Blockade der Piratenhäfen bis zu Angriffen auf die Mutterschiffe. Auch Aktionen an Land sind in der Diskussion. Allerdings dürfte die Bundesregierung besonders im Vorfeld der Wahlen kein Interesse an Aktionen mit einem erhöhten Risiko haben.

Voraussetzung für gewaltsame Befreiung

Trotzdem dürfte es nicht ohne Gewalt gehen. Der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl (CSU), sprach sich dafür aus, die Voraussetzungen für eine gewaltsame Befreiung dieser und anderer Schiffe zu schaffen. Es könne "nicht das letzte Wort sein, dass immer Lösegeld bezahlt wird". Er betonte: "Deutsche Seeleute müssen gerettet werden können durch deutsches Militär und deutsche Polizei."

Der CSU-Politiker forderte eine gemeinsame Sitzung der Bundestagsausschüsse für Äußeres, Inneres und Verteidigung, um zu klären, ob in derlei Fällen die GSG 9 oder das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr eingesetzt werden soll und ob das nötige Gerät für Befreiungsaktionen vorhanden ist. "Deutschland ist nicht so aufgestellt, dass es gekaperte Schiffe zurückerobern kann", erklärte der CSU-Politiker. Das müsse anders werden.

Die FDP-Verteidigungsexpertin Birgit Homburger forderte Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) auf, die KSK gezielt auf solche Einsätze vorzubereiten und dann auch in den Einsatz zu schicken. "Wer die Bundeswehr mit der Bekämpfung der Piraterie betraut, muss ihr auch die notwendigen Fähigkeiten mitgeben", sagte Homburger dem "Tagesspiegel". Eine zusätzliche Legitimation durch den Bundestag sei dafür nicht notwendig. Das Mandat für die EU-Mission "Atalanta" vor der Küste Ostafrikas sehe ausdrücklich die "Beendigung" von seeräuberischen Handlungen auch mit Gewalt vor.

Mit Agenturmaterial.

(AP)
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