Veronique de Viguerie Die mutigste Kriegsfotografin

Paris (RP). Sogar bei den Taliban-Kämpfern in Afghanistan machte sie Bilder: Die Französin Veronique de Viguerie ist als Fotografin in den gefährlichsten Regionen der Welt unterwegs. In einer männerdominierten Berufssparte gilt sie als die kühnste Frau.

Veronique de Viguerie - Kriegsfotografin
7 Bilder

Veronique de Viguerie - Kriegsfotografin

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Große Augen habe der Taliban gemacht, als ihm klar geworden sei, dass er eine Frau vor sich hatte. Aber schließlich sei der Gotteskrieger fast erleichtert gewesen, dass unter der Burka ein weibliches Wesen steckte, nicht einer jener männlichen Fotografen, die in Afghanistan öfters unter dem Vollschleier reisen.

Véronique de Viguerie (31) muss in ihrer kleinen, offensichtlich wenig benutzten Pariser Wohnung lachen, als sie die Episode erzählt. "Westliche Männer haben es schwerer, da sie von den Taliban grundsätzlich in den gleichen Topf geworfen werden, ob Soldat oder Fotograf", fügt sie an. "Bei Frauen wird ein Unterschied gemacht."

Vor allem, wenn es sich um ein kleines Energiebündel mit blonden Strähnen handelt. Véronique de Viguerie schien nicht unbedingt gemacht für das brutale Metier. Sie studierte Jura in Carcassone. Nach dem Abschluss reiste sie zum Sprachstudium nach England und landete bei einer Lokalzeitung, dem "Lincolnshire Echo". Nach einer Ausbildung in Photojournalismus durfte sie einmal mit der britischen Armee "embedded" (integriert-kontrolliert gemeinsam mit den Truppen) nach Afghanistan reisen.

Ihre Sitznachbarn waren tot

Danach nahm sie die Dinge selber in die Hand. 2004 kaufte die gerade mal 26-Jährige ein paar neue Objektive, packte ihre Kameras und zwei Jeanshosen ein und flog mit einem Visum nach Kabul. Sie kannte niemanden, hatte kein Geld. Zum Glück traf sie auf dem Flug eine andere Französin, deren Onkel in Kabul ein Restaurant führte. De Viguerie fand dort Arbeit; daneben machte sie erste Fotoreportagen, obwohl man sich im Westen damals eher für den Irak interessierte. Einmal saß sie in Kabul in einem Internetcafé, als ein Taliban reinkam und sich in die Luft sprengte. Ihre Sitznachbarn waren tot, sie selbst überlebte unbeschadet.

Eine französischen Journalistin reiste traumatisiert nach Hause. Nicht Véronique de Viguerie — sie blieb drei Jahre. "Ich verdaue solche Dinge ziemlich gut", sagt sie zu dem Bombenanschlag, als würde sie Auskunft geben, ob sie afghanischen Joghurt möge.

In Frankreich wurde de Viguerie im August 2008 über Nacht bekannt, als zehn französische Soldaten im afghanischen Uzbin-Tal in einen Hinterhalt gerieten und von den Taliban getötet wurden. Die Illustrierte "Paris Match" schickte die Französin auf Eilreportage. Mit einem Übersetzer reiste sie um drei Uhr morgens los. Unterwegs traf sie in einem Krankenhaus eine Frau mit einem amputierten Fuß, neben sich im Bett einen kleinen Jungen mit zerquetschten Beinen. Opfer einer Nato-Bombe.

Als Landesverräterin bezeichnet

De Viguerie gelang es, Kontakt zu den Taliban herzustellen. Sie wurde in den innersten Kreis der Islamkrieger vorgelassen. "Einer trug ein fremdartiges Gewehr", erzählt sie. "Ich erkundigte mich und fand heraus, dass die Waffe französisch war. Sie stammte von einem der ermordeten Soldaten." Einer der Taliban gab ihr eine Uhr: Die solle sie nach Hause bringen und den Eltern des getöteten Soldaten geben. De Viguerie fotografierte, reiste zurück nach Kabul, sandte die Bilder an Paris-Match, die daraus die Titelgeschichte machte — inklusive der beinamputierten Frau.

Die Folge war ein Entrüstungssturm. Verteidigungsminister Hervé Morin geißelte die Taliban-Reportage als feindliche Propaganda; Armeestimmen bezeichneten de Viguerie gar als Landesverräterin. Die Fotografin brachte die Uhr zurück und wehrte sich. "Propaganda?", fragt sie noch heute entrüstet. "In Afghanistan herrscht Krieg, da gibt es auch Zivilopfer, sogenannte Kollateralschäden. Ich zeige, was ich sehe. Und bin vielleicht eine schlechte Französin, aber eine richtige Fotografin."

Nur einmal in ihrer jungen Karriere verging ihr das Fotografieren. "Das war beim letzten Erdbeben in Pakistan. Mir kam ein Mann entgegen, auf dem Rücken einen Kartoffelsack mit Schlitzen, durch die lugten die Beine seiner toten Kinder hervor. Dieses Bild konnte ich nicht machen. Dafür wird es für immer in meinem Gedächtnis bleiben."

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