„Gefahr für die Demokratie“ Meinungsroboter twitterten gegen UN-Migrationspakt

Berlin · In der Online-Debatte über den UN-Migrationspakt haben einer Analyse zufolge ungewöhnlich viele Social Bots mitgemischt. Ziel war es offenbar, gegen die am Montag verabschiedete Übereinkunft der Weltgemeinschaft zu mobilisieren.

 Social Bots sind in sozialen Netzwerken agierende Computerprogramme, die sich als reale Menschen tarnen. (Symbol)

Social Bots sind in sozialen Netzwerken agierende Computerprogramme, die sich als reale Menschen tarnen. (Symbol)

Foto: dpa/Silas Stein

Laut der Analyse der Firma botswatch sind mehr als ein Viertel aller Twitter-Nachrichten zum Migrationspakt (28 Prozent) auf Social Bots zurückzuführen, wie die Tageszeitung „Die Welt“ berichtete. Den Analysten zufolge sei der Durchschnitt bei politischen Diskussionen sonst etwa um die Hälfte niedriger (10 bis 15 Prozent). Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) rief angesichts der Analyse zu einem verstärkten Kampf gegen Lügen im Internet auf.

Der jetzige Anteil von Social Bots sei so hoch wie seit der Bundestagswahl im vergangenen Jahr nicht mehr. Social Bots sind in sozialen Netzwerken agierende Computerprogramme, die sich als reale Menschen tarnen. Für ihre Studie zum Migrationspakt habe botswatch rund 800.000 Tweets untersucht, die zwischen dem 24. November und dem 2. Dezember veröffentlicht wurden, hieß es. Der Bundestag hatte sich am 29. November für den Pakt der Vereinten Nationen ausgesprochen.

Gestreut worden seien zum Beispiel Behauptungen, wonach die Bundesregierung versuche, die Öffentlichkeit beim Migrationspakt bewusst zu täuschen: Das Abkommen sei rechtlich bindend, damit hole die Regierung Flüchtlinge bewusst nach Deutschland. Wichtig für die Verbreitung der Inhalte seien neben Twitter auch Plattformen wie YouTube. Auf mögliche Hintermänner der Social Bots gehe die Analyse nicht ein.

„Jemand scheint Interesse daran zu haben, dass diese Debatte geführt wird und dass gezielt Falschinformationen über den UN-Migrationspakt verbreitet werden“, sagt botswatch-Geschäftsführerin Tabea Wilke der „Welt“. Das Thema eigne sich sehr gut dafür, die westliche Wertegemeinschaft infrage zu stellen.

Justizministerin Barley sagte, der Fall werfe ein Schlaglicht darauf, wie organisierte Falschmeldungen die Debatte um ein Thema beeinflussen können. „Die Betreiber sozialer Netzwerke müssen ihrer Verantwortung gerecht werden und entschieden gegen Fake-Accounts vorgehen“, sagte Barley den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Social Bots seien eine Gefahr für die Demokratie. Sie begrüße daher den vergangene Woche vorgestellten Aktionsplan der EU-Kommission gegen Desinformation im Netz. Brüssel setzt darin unter anderem auf die Gründung eines EU-weiten Schnellwarnsystems für Versuche, die öffentliche Meinung zu manipulieren.

Auch die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Nadine Schön (CDU), forderte Plattformbetreiber wie Twitter angesichts der botswatch-Recherchen auf, für mehr Transparenz zu sorgen. „Den Nutzern muss eindeutig klar sein, ob ein Mensch oder ein Social Bot einen Tweet oder einen Post veröffentlicht hat“, sagte Schön.

Der Autor und Blogger Schlecky Silberstein (bürgerlich Christian Maria Brandes) sieht auch die Politik gefragt. „Man kann beispielsweise ein ganz normales Gesetz anleiern, dass den Einsatz von Social-Media-Bots grundsätzlich verbietet“, sagte er im Radioprogramm SWR Aktuell. Nötig seien aber auch massive Aufklärungskampagnen, um Bots von authentischen Social-Media-Profilen unterscheiden zu können: „Das ist ein Teil der Medienkompetenz, bei der wir von der Schule bis zum Altenheim ein Verständnis in der breiten Gesellschaft erreichen müssen.“

Staats- und Regierungschefs waren am Montag in Marrakesch zusammengekommen, um den Migrationspakt zu verabschieden. Ziel des völkerrechtlich nicht bindenden Handlungsrahmens ist es, lebensgefährliche und chaotische Migration durch internationale Kooperation zu verhindern.

(özi/epd)
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