Frau vor vorzeitiger Haftentlassung Die Ex von Kinderschänder Dutroux kommt früher frei

Brüssel · Sie ließ zwei Mädchen im Kellerverlies ihres Mannes verhungern - und 16 Jahre später soll die Exfrau des belgischen Kinderschänders Marc Dutroux frühzeitig freikommen. Ein Gericht in Mons bewilligte am Dienstag den Antrag Michelle Martins auf vorzeitige Haftentlassung.

 In diesem Kloster soll die Ex-Frau von Dutroux Unterschlupf finden.

In diesem Kloster soll die Ex-Frau von Dutroux Unterschlupf finden.

Foto: dpa, Julien Warnand

Die Familien der getöteten Mädchen reagierten entsetzt. Die Staatsanwaltschaft kündigte Berufung an, doch kann sie nur Verfahrensfehler anfechten. Scheitert der Einspruch, wird die Dutroux-Komplizin in einem Kloster im Süden des Landes aufgenommen.

Martin war beteiligt

Durch die Entscheidung zur Freilassung Martins ist ein Albtraum nach Belgien zurückgekehrt. Dutroux hatte 1995 und 1996 sechs Mädchen in seine Gewalt gebracht, vergewaltigt und elend zugrunde gehen lassen. Martin, dreifache Mutter, war umfangreich an den Taten beteiligt.

Vor allem wurde ihr zur Last gelegt, dass sie zwei der Opfer in einem Kellerverlies verhungern ließ, während Dutroux wegen eines anderen Deliktes in Untersuchungshaft saß. "Sie ist genau so schlimm wie Dutroux. Sie ließ die Kinder verhungern", sagte der Vater eines getöteten Mädchens, Jean Lambrecks, am Dienstag. "Ich war sicher, sie würde im Gefängnis bleiben."

Martin und Dutroux waren 1996 festgenommen und sie acht Jahre später zu 30 Jahren Haft verurteilt worden. Dutroux erhielt eine lebenslange Haftstrafe ohne Aussicht auf vorzeitige Entlassung. Im Prozess hatte die heute 52-Jährige immer betont, aus Angst nicht in das Verlies gegangen zu sein, um den dort gefangen gehaltenen Mädchen etwas zu Essen zu bringen. Sie sei unfähig gewesen, ihrem Mann zu widersprechen. Nach Angaben ihrer Anwälte wurde sie hinter den Gefängnismauern tief religiös.

Erste Liveberichte vom Kloster

Vier vorherige Anträge auf Haftentlassung hatte das Gericht abgelehnt, vor allem, weil Martins Verbleib unsicher war. Zuletzt wollte sie sich im vergangenen Jahr in ein Kloster in Frankreich zurückziehen, doch wurde ihr die Aufnahme von der französischen Regierung untersagt. Nun kann sie in das Kloster Clarisse nahe der Stadt Namur ziehen. Mehrere Fernsehsender berichteten am Dienstag schon live von der Klosterpforte, dabei kann Martin so schnell nicht zu den Nonnen umziehen. Über die Berufung der Staatsanwaltschaft wird binnen 30 Tagen entschieden.

Der Generalstaatsanwalt des Berufungsgerichts, Claude Michaux, nannte die Freilassung am Dienstag "voreilig". "Das kam aus heiterem Himmel", sagte Paul Marchal, Vater der getöteten An. "Ich habe es nicht für möglich gehalten. Wenn Martin frühzeitig entlassen wird, wen behalten sie denn dann im Gefängnis?" Die Eltern selbst können nur noch vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen, um die Haftentlassung zu verhindern.

Das Gericht in Mons begründete seine Entscheidung mit einem sehr geringen Rückfallrisiko, mit der respektvollen Haltung Martins gegenüber den Opferfamilien sowie mit einem positiven psychosozialen Gutachten. Ihr Anwalt Thierry Moreau sagte, Martin sei nicht mehr die selbe Person wie 1996. "Aber sie sagt selbst: Ihre Schuld wird sie bis ins Grab begleiten. Alles, was ihr bleibt, ist zu sühnen."

Trauma für Belgien

In Belgien können Straftäter nach dem Absitzen eines Drittels ihrer Haftstrafe die Freilassung beantragen, müssen aber bestimmte Bedingungen erfüllen. Martin saß indes schon vor ihrer Festnahme 1996 ein Mal in Haft - wegen Beihilfe zur Vergewaltigung. Sie musste deswegen mindestens die Hälfte ihrer neuen Haftstrafe absitzen. Zu den Auflagen für Martin gehören neben einer festen Adresse auch, dass sie sich von den Familien der Opfer und von den Medien fernhält und einen strikten Resozialisierungsplan einhält.

Der Fall Dutroux ist für Belgien noch immer ein Trauma. Bis heute werden Polizei und Strafverfolgungsbehörden eine ganze Reihe von Ermittlungspannen zur Last gelegt. So hatte die Justiz mehrfach Hinweise ignoriert, die zu einer früheren Festnahme von Dutroux hätten führen können.

(APD)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort