Prozess gegen Attentäter Breivik Der Mörder und die Anwälte

Düsseldorf · Der Prozess gegen Anders Behring Breivik zieht Aufmerksamkeit auf sich – genau wie seine Anwälte. Schon Anwalt Otto Schily zog Hass auf sich, weil er eine RAF-Terroristin verteidigte. Der Düsseldorfer Strafverteidiger Rüdiger Deckers spricht von einem Ur-Recht jedes Angeklagten auf rechtliches Gehör.

Zweiter Prozesstag: Breivik sagt vor Gericht aus
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Der Prozess gegen Anders Behring Breivik zieht Aufmerksamkeit auf sich — genau wie seine Anwälte. Schon Anwalt Otto Schily zog Hass auf sich, weil er eine RAF-Terroristin verteidigte. Der Düsseldorfer Strafverteidiger Rüdiger Deckers spricht von einem Ur-Recht jedes Angeklagten auf rechtliches Gehör.

Als der spätere Bundesinnenminister Otto Schily zwischen 1975 und 1977 im Stammheim-Prozess die des Mordes angeklagte Links-Terroristin Gudrun Ensslin verteidigte, wollte das vielen Deutschen nicht in den Kopf. Einige überhäuften die Berliner Kanzlei des Strafverteidigers mit Drohbriefen. Jemand schrieb: "Es wäre besser, wenn Sie sich ebenfalls eine Kugel in Ihren elenden Kadaver jagen würden."

Ein anderer verfasste einen Steckbrief, in dem Schily mit diesem Hinweis gesucht wurde: Mordhelfer — nennt sich auch Rechtsanwalt. Schilys Schwester Maria reagierte entgeistert: "Er hat doch nicht gemordet, sondern getan, was das Gesetz verlangt. Auch dem größten Verbrecher steht Strafverteidigung zu."

Womit wir beim fassungslos machenden Angeklagten Anders Behring Breivik, seinen Verteidigern und dem Osloer Strafprozess sind, der weltweit für Entsetzen, Kopfschütteln, jedenfalls für Aufsehen sorgt. Eine Woche lang darf ein umgehend geständiger terroristischer Mörder seine irrwitzige Geschichte von dem aus Notwehr geborenen "Präventivschlag" zugunsten von Volk und Vaterland darlegen.

Eine Showmen-Sofa-Pose

Nicht bloß ein Verteidiger steht Breivik bei, es sind gleich mehrere aus einer Kanzlei. Nun sind Strafverteidiger überall auf der Welt selten die grauen Mäuse der Anwaltschaft. Vereinzelt sind Rad schlagende Pfauen darunter oder solche, die als verhinderte Schauspieler mit Theatralik wahre Mantel- und Degenstücke in den Gerichtssälen aufführen.

Eitelkeit ist auch Breiviks Verteidigern nicht fremd. Die vor Kurzem veröffentlichte Showmen-Sofa-Pose empfand nicht nur die frühere Richterin und NRW-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) als unerträglich. Müller-Piepenkötter, anwaltlich tätig sowie Vorsitzende der Opferschutz-Organisation "Weißer Ring", sagte am Dienstag, die Verteidiger des Massenmörders Breivik nutzten ihre momentane Popularität schamlos aus, um für sich Reklame zu machen.

In Deutschland dürfen Anwälte für sich werben, sind dabei aber zur Sachlichkeit verpflichtet. Müller-Piepenkötter meint, ein posierendes Gebaren wie das der Breivik-Anwälte würde bei uns zum Fall für eine Standeswidrigkeits-Prüfung.

Auch das tagelange Rederecht für den Osloer Angeklagten sieht die frühere Richterin skeptisch. Sie hätte Breivik als Vorsitzende einen Tag zur Erklärung eingeräumt: "Fünf Tage — das ist ja wie eine Einladung an den Extremisten." Zudem erinnerte Müller-Piepenkötter an den Senatsvorsitzenden beim Oberlandesgericht Düsseldorf, Ottmar Breitling, dem es in Terroristenprozessen immer wieder gelungen sei, mäßigend und maßregelnd auf einen allzu tolldreisten Redeschwall eines politisch motivierten Angeklagten einzuwirken.

Die lange Redezeit

Das, so liest man, versucht derzeit auch die Richterin in Oslo. Der Düsseldorfer Strafverteidiger Rüdiger Deckers bezeichnete das Recht auf rechtliches Gehör als ein "Ur-Recht" des Angeklagten. Auch wenn Menschen wie Breivik schwer Erträgliches von sich gäben, könne ihnen der Anspruch auf rechtliches Gehör grundsätzlich nicht verwehrt werden, es sei denn, von dem Recht werde offensichtlich missbräuchlich Gebrauch gemacht.

Laut Deckers kann ein Verteidiger seinem Mandanten auch keinen Maulkorb anlegen, falls der Mandant wie Breivik auf seinem Rederecht besteht: "Der Angeklagte darf sich um Kopf und Kragen reden." Der Verteidiger könne dann aus Gewissensgründen sein Mandat niederlegen.

Deckers verwies auf einen möglichen Grund dafür, warum Breivik soviel Redezeit eingeräumt wird: So könne sich das Gericht am besten ein Bild vom Angeklagten machen und die entscheidende Frage des Prozesses beantworten: ob der Extremist schuldfähig ist oder nicht.

(das)
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