Prozess gegen Wikileaks-Informant Demonstranten fordern Mannings Freilassung

Fort Meade · Der Prozess gegen den WikiLeaks-Informanten Bradley Manning hat begonnen. Vor dem US-Militärgericht in Fort Meade hat die Anklage dem 25-jährigen Obergefreiten vorgeworfen, der Enthüllungsplattform WikiLeaks mehr als 700.000 geheime Dokumente zugespielt zu haben. Damit habe der im März 2010 im Irak verhaftete Angeklagte die nationale Sicherheit der USA und Menschenleben gefährdet.

Er sieht älter aus, reifer, souveräner, der Bradley Manning auf dem Poster, mit dem Cathie Phelps im strömenden Regen vorm Kasernentor steht. Er trägt kein Barett mehr wie auf den ersten Bildern, seine Gesichtszüge sind nicht mehr die eines Jungen, der viel zu früh bei der Armee landete. Seine Anhänger haben neue Plakate drucken lassen, es soll nicht so aussehen, als stünde ein pubertierender, geltungssüchtiger Teenager vor Gericht. "Brad wusste genau, was er tat", sagt Cathie Phelps, eine Hausfrau aus Annapolis. "Er hat seinem Gewissen gehorcht."

Früh um sieben stehen die ersten Demonstranten an der Reece Road, um die Freilassung eines Soldaten zu fordern, den sie am liebsten mit dem Friedensnobelpreis geehrt sähen. Wer als Reporter berichten will, muss langwierige Kontrollen über sich ergehen lassen. Auf einen Parkplatz fahren, Kühlerhaube hoch, Kofferraumklappe auf und geduldig auf die schnüffelnden Spürhunde warten. Sicherheitsvorkehrungen wie bei einem Terrorprozess. In Fort Meade sitzt die National Security Agency, der Militärnachrichtendienst der Vereinigten Staaten.

Es ist ein kleiner, schmuckloser Raum in einem Flachbau, in dem die Richterin Denise Lind das Verfahren führt. Dunkle Möbel, eine Leinwand, zwei Flachbildschirme. 70 Sitzplätze, 16 davon sind frei fürs interessierte Publikum, zehn reserviert für die Presse. Klein und schmächtig sitzt Manning zwischen seinen Verteidigern, zwei Militärjuristen und David Coombs, seinem zivilen Anwalt. Nach kurzem Vorgeplänkel lässt die Anklage ein kleines Kompendium von Beweisen über die Leinwand flimmern. Es beginnt mit der Frage, die Manning unter seinem User-Namen "bradass 87" dem Hacker Adrian Lamo stellte, einem Branchenprimus, der den Ruf eines wahren Genies genoss und dem der Obergefreite vertraute.

"Wenn du beispiellosen Zugang zu geheimen Netzwerken hättest, 14 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, und das acht Monate lang, was würdest du tun?", fragte Manning aus der Langeweile seines Barackenlagers in der Nähe von Bagdad. Nach ein paar Chats schlug Lamo Alarm bei den Behörden, und deshalb sitzt Manning jetzt hier.

Hat er dem Feind geholfen?

In der Hauptsache ist er angeklagt, "dem Feind" geholfen zu haben, nämlich Osama Bin Laden, dessen elektronisches Archiv die Navy Seals bei ihrer Nacht-und-Nebel-Aktion im pakistanischen Abbottabad erbeuteten. Bin Laden soll einen seiner Untergebenen aufgefordert haben, sich ausgiebig der Datenfundgrube Wikileaks zu bedienen. Im Laufe der Verhandlung soll einer der beteiligten Seals das Kapitel noch näher beleuchten, am ersten Tag belässt es der Captain Joe Morrow namens der Anklage bei einer kurzen Charakterstudie Mannings. Der Fall zeige, was geschehe, wenn sich der Zugriff auf Geheimakten mit Arroganz paare.

"Ein Schauprozess ist das, völlig überflüssig", sagt Medea Benjamin, die Begründerin des pazifistischen Netzwerks Code Pink, die mit im Saal sitzt. "Sie hatten doch schon sein Geständnis, sie hatten doch schon ihr Pfund Fleisch, sie hätten es dabei belassen können." Manning, darauf spielt die zierliche Frau an, hat sich bereits vor Monaten schuldig bekannt, Geheimdokumente weitergegeben zu haben, während er bei dem Punkt "Hilfe für den Feind" seine Unschuld betonte. Seine Anhänger hatten sich eingestellt auf Vergleich, der ihn für maximal 20 Jahre hinter Gitter gebracht hätte, nicht aber lebenslang, wie es jetzt denkbar scheint. Umso enttäuschter ist Medea Benjamin.

Fragt man sie nach den Gründen, kommt die Antwort wie aus der Pistole. "Barack Obama glaubt, den kompromisslosen Oberkommandierenden geben zu müssen. Nur weil er beweisen will, dass ein Demokrat im Weißen Haus genauso hart sein kann wie ein Republikaner." Cornel West, der Princeton-Professor, der draußen im Lärm der Notstromaggregate mit Journalisten redet, spricht gar von einer "imperialen Präsidentschaft". Drinnen zeichnet Coombs ein facettenreiches Bild seines Mandanten, das Bild eines Philosophen in Uniform. "Bradley glaubte, wenn die Öffentlichkeit Zugang zu Geheimakten hat, wird die Welt ein besserer Platz."

(felt)
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