Neue Fotos aus Auschwitz Das Leben genießen, den Tod befehlen

Washington (RPO). Das Furchtbare an den Bildern ist die Lücke, die sie lassen, das, was nicht zu sehen ist. Fröhliche Männer und Frauen sind darauf zu sehen: Sie singen, posieren für die Kamera, genießen ihre Freizeit. Keine Gefangenen, kein Leid. Nichts, was verrät, dass ganz in der Nähe Menschen in den Gaskammern von Auschwitz sterben.

Sehen, ohne zu sehen: Der Alltag neben Auschwitz
9 Bilder

Sehen, ohne zu sehen: Der Alltag neben Auschwitz

9 Bilder

Die Fotos wurden in Solahütte aufgenommen, einem Erholungsheim bei Auschwitz für die SS-Mannschaft. Im einen Moment genossen sie dort das Leben - und beaufsichtigten im nächsten Moment ganz in der Nähe das Grauen.

Das Holocaust-Museum in Washington hat das Fotoalbum mit 116 Aufnahmen von SS-Offizieren im Vernichtungslager Auschwitz der Öffentlichkeit vorgestellt. Es gehörte einem pensionierten Geheimdienstoffizier der US-Armee, der 1946 in einer Wohnung in Deutschland auf das Album stieß. Der Finder will anonym bleiben.

Die Fotos wurden zwischen Mai und Dezember 1944 aufgenommen. Sie zeigen Offiziere und Wachleute in entspannten Situationen, während zur gleichen Zeit zahllose Menschen in den Gaskammern getötet und ihre Leichen in Verbrennungsöfen geworfen wurden. Das Wissen um die Gleichzeitigkeit dieser Ereignisse macht es so schwierig, sie anzuschauen.

"Auf den Fotos ist nichts Schreckliches zu sehen, noch nicht einmal ein Gefangener im Hintergrund", sagte die Leiterin der fotografischen Sammlung des Museums, Judith Cohen. "Und genau das macht sie so furchtbar."

Das Album gehörte Karl Höcker, dem Adjutanten des letzten Lagerkommandanten Richard Baer. Für seine persönlichen Erinnerungen fotografierte er unter anderem bei einem Musikausflug mit einem Akkordeonspieler und etwa 70 SS-Leuten, unter ihnen Lagerarzt Josef Mengele, Josef Kramer und Rudolf Höss. Andere Fotos zeigen Nazi-Größen auf der Jagd oder Höcker beim Anzünden der Kerzen am Weihnachtsbaum.

Das Album ist bislang kein Bestandteil der Ausstellung des Museums. Die Fotos werden aber auf der Webseite des Holocaust-Museums gezeigt.

(ap)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort