Zeichen der Not Illegale Migranten fliehen aus Spanien zurück nach Afrika

Madrid · Es ist ein skurriles Zeichen der Not: In der Corona-Krise versuchen Migranten von Spanien übers Meer wieder nach Afrika zu gelangen. Aus Angst vor Ansteckung, aber vor allem wegen der verschlechterten Wirtschaftslage.

 Männer aus Marokko und Bangladesch sitzen in einem überfüllten Holzboot im Mittelmeer (Symbol).

Männer aus Marokko und Bangladesch sitzen in einem überfüllten Holzboot im Mittelmeer (Symbol).

Foto: dpa/Santi Palacios

Marokkos Gendarmerie machte wahrscheinlich große Augen, als die Schlauchboote mit rund 100 Personen am Larache-Strand landeten. Normalerweise bezahlen Flüchtlinge den marokkanischen Schlepperbanden viel Geld, um von hier aus heimlich über die Meerenge von Gibraltar nach Spanien und damit in die Europäische Union zu kommen. Aber nicht umgekehrt. Doch die Corona-Pandemie stellt derzeit einfach alles auf den Kopf - selbst die Migrationsströme.

Vor allem Menschen aus den nordafrikanischen Maghreb-Staaten versuchen derzeit, nach oder über Marokko zurück in ihre Heimatländer zu kommen. Die größtenteils illegalen Einwanderer träumten von einem besseren Leben und einer Zukunft in Spanien. Mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie wurde aus dem Traum für viele aber ein Albtraum. Zunächst einmal ein gesundheitlicher: Obwohl auch Einwanderer ohne Aufenthaltsgenehmigung in Spanien einen kostenlosen Zugang zum Gesundheitssystem haben, macht sich unter ihnen die Angst breit, sich mit dem Covid-19 Virus anzustecken. Mit über 213.000 Infizierten und mehr als 24.000 Todesopfern ist Spanien nach den USA das am schlimmsten von der Pandemie betroffene Land der Welt.

Doch es sind besonders die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise, die das Gros der Rückkehrer aus Spanien fliehen lässt. „Durch die strikten Ausgangssperren und den Alarmzustand ist der Arbeitsmarkt für die illegal eingereisten Einwanderer vollkommen zusammengebrochen“, erzählt Virginia Alvarez, spanische Migrationsexpertin von Amnesty International der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Ohne Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis arbeiteten die meisten schwarz - als Erntehelfer, auf Baustellen, als Putzkräfte oder Straßenverkäufer.

Mit dem landesweiten Lockdown seit Mitte März ist Spaniens Wirtschaft aber vollkommen zum Erliegen gekommen. Zwar suchen Spaniens Bauern derzeit dringend Erntehelfer. „Die Ausgangssperren und Polizeikontrollen machen es den illegalen Einwanderern aber nahezu unmöglich, zur Arbeit zu kommen, ohne erwischt zu werden“, so die Migrationsexpertin.

Ohne Jobs und staatliche Hilfen sei die finanzielle Lage der Zuwanderer nicht lange durchzuhalten, Mieten und Essen kaum zu bezahlen. Zumal auch die Suppenküchen oder Obdachlosenheime in Spanien derzeit vollkommen überfüllt seien, so Alvarez. Und die Perspektiven für die Zukunft sind nicht gerade gut. Nach Schätzungen von Experten wird Spanien im Zuge der Corona-Pandemie in eine tiefe Wirtschaftskrise rutschen. Man rechnet mit einem Zusammenbruch des Bruttoinlandproduktes von über sechs Prozent. Die Arbeitslosenquote könnte von derzeit 14 auf bis zu 21 Prozent steigen.

Die düstere Perspektive animiert offenbar immer mehr illegal eingereiste Migranten, vor allem Marokkaner und Algerier, zur Rückkehr in ihre Heimatländer. Das Problem: Marokko schloss am 13. März zur Eindämmung von Corona komplett seine Grenzen. Selbst Landsleute werden derzeit nicht mehr reingelassen. So versuchen viele mit Hilfe von Schlepperbanden erneut die nur 14 Kilometer breite Meerenge von Gibraltar illegal zu überwinden - diesmal aber zurück nach Afrika. Laut einem Bericht der EU-Kommission zeigen die marokkanischen und spanischen Schlepperbanden derzeit eine „enorme Flexibilität“, illegal eingereiste Marokkaner, die nun vor der Covid-19-Pandemie fliehen wollen, wieder in ihre Heimat zurückzubringen.

Viele Marokkaner überraschte der von Rabat verhängte Einreisestopp auch in den beiden spanischen Nordafrika-Exklaven Ceuta und Melilla. Täglich überschreiten Hunderte Marokkaner mit speziellen Arbeitsgenehmigungen die Grenze, um in den an Marokko grenzenden Städten Waren zu verkaufen. In Ceuta sitzen derzeit 300 marokkanische Arbeiter fest, in Melilla 350. Und eine politische Lösung ist nicht in Sicht. Viele wollen gerade jetzt im Ramadan zurück zu ihren Familien, zumal ihre Lebensbedingungen in Spanien so kompliziert sind - ohne Wohnung und Jobs. In einem Fall gelang es vier jungen Marokkanern, von Ceuta auf die marokkanische Seite zu schwimmen, wo sie sofort von der Gendarmerie festgenommen und in zweiwöchige Corona-Quarantäne gebracht wurden.

Auch Hassan Elbakali und seine Frau sitzen in Ceuta fest. Sie waren in Spanien, um Familienangehörige zu besuchen. Dann schloss Marokko wegen Corona die Grenzen. „Die Lage ist angespannt. Wir wohnen hier alle zusammen in einer kleinen Wohnung und meine Mutter muss sich um unsere drei Kinder zu Hause in Marokko kümmern, obwohl sie zur Risikogruppe gehört“, sagte der 46-jährige Marokkaner der spanischen Zeitung „El Pais“.

(ala/kna)
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