Empörung in muslimischen Ländern "Charlie Hebdo": Muslime zünden aus Protest sieben Kirchen an

Niamey/Kairo/Teheran · Die im Westen als historisch gesehene Ausgabe des französischen Satireblatts "Charlie Hebdo" sorgt in der islamischen Welt weiter für Empörung. Im zentralafrikanischen Staat Niger ist es zu schweren Ausschreitungen mit Todesopfern gekommen.

 Aufgebrachte Muslime in Niamey machen ihrem Ärger über "Charlie Hebdo" Luft.

Aufgebrachte Muslime in Niamey machen ihrem Ärger über "Charlie Hebdo" Luft.

Foto: afp, AG/jk

In der Hauptstadt Niamey wurden am Samstag mindestens sieben Kirchen, darunter das größte protestantische Gotteshaus, angezündet, wie der Journalist Birahim Ousmane am Telefon berichtete. In einer Kirche sei ein Toter gefunden worden. Die Polizei setzte Tränengas gegen die Angreifer ein. Die französische Botschaft rief ihre Landsleute auf, zu Hause zu bleiben.

Damit kamen seit Freitag in Zinder im Süden des Landes und in der Hauptstadt mindestens fünf Menschen ums Leben, mehr als 50 wurden verletzt. Die Gewalt richtet sich gegen die Mohammed-Karikatur auf dem jüngsten Titelblatt des französischen Satireblattes "Charlie Hebdo". Die Bevölkerung des Wüstenstaates ist überwiegend muslimisch.

In Zinder, der zweitgrößten Stadt des Landes, ging am Freitag auch das französische Kulturzentrum in Flammen auf. Mehrere Kirchen wurden geplündert. Eine französische Fahne brannte. In Niamey griff ein Mob am Samstag eine Polizeistation an und zündete Streifenwagen an. Auch Bars wurden attackiert. "Alles, was Frankreich versinnbildlicht, wird im Niger verschwinden, ehe wir aufhören", rief ein Angreifer.

"Blasphemisch und unverantwortlich"

Protest gab es am Samstag auch in Afghanistan, dem Iran, dem Irak, dem Gazastreifen und dem Jemen.
Im Iran wurde die Zeitung "Mardom-e-Emrus" wegen einer angeblichen Sympathiebekundung für "Charlie Hebdo" verboten. Sie hatte auf der ersten Seite den US-Filmstar George Clooney mit den Worten zitiert: "Ich bin Charlie Hebdo". Deshalb sei die Schließung des Blatts angeordnet worden, sagte Chefredakteur Mohammed Guschani der halbamtlichen Agentur Tasnim. Der Iran hat die Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen scharf kritisiert, allerdings auch den Terroranschlag auf die Redaktion.

Der afghanische Präsident Aschraf Ghani verurteilte "Charlie Hebdo" am Samstag und nannte die Zeichnung auf der Titelseite blasphemisch und unverantwortlich. "Die freie Meinungsäußerung sollte als Mittel genutzt werden, das Verständnis zwischen den Religionen zu stärken", erklärte Ghani.

Der irakische Ministerpräsident Haidar al-Abadi verurteilte die Veröffentlichung ebenfalls und warnte, verletzende Worte könnten zu weiterem Blutvergießen führen. Er appellierte an alle Seiten, auf alles zu verzichten, was eine Atmosphäre der Spaltung und der Zurückweisung schaffen könnte. Gleichzeitig verdammte er erneut die Anschläge von Paris, die mit dem Islam nichts zu tun hätten.

Vor der französischen Botschaft in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa protestierten Demonstranten. In Ägypten verurteilte die islamistische Nur Partei die jüngste "Charlie-Hebdo"-Ausgabe und sprach von einem "barbarischen, unverantwortlichen Akt". In Gaza-Stadt schmierten Unbekannte Schriftzüge auf das französische Kulturzentrum. "Zur Hölle, französische Journalisten, für euch ein elendiges Schicksal."

"Charlie Hebdo" hatten schon früher Mohammed-Karikaturen gedruckt. Diese gelten vielen Muslimen als Frevel, weil der Prophet nicht abgebildet werden soll. Nach der Ermordung eines Großteils der Redaktion wollten die verbliebenen Kollegen sich nicht einschüchtern lassen und zeigten erneut Mohammed auf dem Titelblatt, diesmal mit Tränen in den Augen und dem Spruch "Je suis Charlie". Die Ausgabe ist inzwischen millionenfach gedruckt und verkauft, weil Leser in der westlichen Welt ihre Solidarität ausdrücken wollen.

(dpa)
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