Massen-Gentest steht an Briefe verraten Serienmörder

Saarbrücken · Seit über 40 Jahren wird nach dem mutmaßlichen Täter gefahndet. Lange gab es kaum Hinweise. Nun führen dessen eigene Briefe an die Polizei die Ermittler auf seine Spur. Im Dezember soll ein Massen-Gentest unter etwa 5000 älteren Männern im Saarland den Täter überführen.

Wie funktioniert ein Gentest? Und was verrät er?
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Foto: AP

Seit mehr als vier Jahrzehnten wird nach ihm gefahndet. 46 Jahre nach dem ersten Mord, den der inzwischen wohl älteste Serienmörder Deutschlands verübt haben soll, ist die Polizei zuversichtlich, seine Taten endlich aufklären zu können. Insgesamt soll der Mann sechs Frauen getötet haben. Mit Hilfe eines Massen-Gentests, bei dem im Dezember im Saarland mehr als 5000 ältere Männer untersucht werden sollen, wollen die Fahnder den Serienmörder ermitteln. "Wir sind ihm gut auf den Fersen", sagt Chef-Ermittler Knut Packmohr in Saarbrücken.

Lange hatte die Polizei keinerlei heiße Spur von dem Täter. Ernstzunehmende Hinweise lieferten erst Briefe, die wahrscheinlich von dem Verdächtigen selbst seit 2005 immer wieder an die Polizei und andere Behörden geschickt worden sind. Das erste mysteriöse Schreiben ist an die Polizei in Nürnberg adressiert.

Der Verfasser berichtet 2005, ein Bekannter habe ihm den Mord an der Prostituierten Heiderose Berchner gestanden. Der Mann sei aber inzwischen verstorben, so behauptet der Briefschreiber und meint: "So können ja die Akten jetzt geschlossen werden." Auf dem Briefpapier finden die Ermittler aber eine DNA-Spur, die mit dem Material an der Leiche der ermordeten Nürnberger Prostituierten übereinstimmt.

Sechs Monate später bekommt die Polizei in der Westpfalz Post. Mit derselben Handschrift wie auf dem Brief an die Nürnberger Beamten gesteht der Autor diesmal, 1962 eine 13-jährige Schülerin aus Rheda-Wiedenbrück in Nordrhein-Westfalen ermordet zu haben. "Ich bin alt und krank, halte Rückschau auf mein Leben . . . ich habe einen Menschen getötet . . . Anfang der 60er Jahre war ich unterwegs und habe ein Mädchen per Anhalter mitgenommen", heißt es in dem Schreiben.

Die DNA auf dem Papier stimmt mit der auf dem Nürnberger Brief überein. Auch bei der Polizei im westfälischen Bielefeld kommen entsprechende Schreiben an. "Ich wollte sie doch nicht töten . . . Ich habe Angst, mich zu stellen . . . Ich habe Angst vor dem Gefängnis — dass ich dort sterbe. Aber ich will mein Gewissen erleichtern. Was soll ich tun nach all den Jahren?"

Experten der Polizei entwickeln aus den Inhalten der Briefe ein Täterprofil. Demnach muss der Verdächtige mindestens 64 Jahre alt, vermutlich sogar 70 Jahre oder noch älter und möglicherweise herzkrank sein. Die Profiler gehen zudem davon aus, dass der Mörder in den 60er und 70er Jahren viel in Deutschland unterwegs war, Ende der 60er Jahre in Nürnberg lebte und Ortskenntnisse in Ulm hat. Aber wo lebt er nun?

Den entscheidenden Hinweis in dieser Frage gibt ein Brief, der 2007 beim Gemeindeamt im saarländischen Weiskirchen eingeht. Dort soll der Musiker DJ Ötzi auftreten, und dagegen protestiert der Briefschreiber heftig. "Wenn der auf die Bühne geht, wird er abgeknallt", ist in dem Brief zu lesen. Experten der Kripo finden wieder die DNA, die sie schon auf den anderen Briefen entdeckt hatte. "Der Schreiber hat einen starken Bezug zu der Region. Er wohnt wahrscheinlich dort", so vermuten die Fahnder. Zudem seien alle Schreiben im Saarland aufgegeben worden.

Der letzte Brief des mutmaßlichen Serienmörders erreicht Ende Juli dieses Jahres das Bundeskriminalamt in Wiesbaden. Über dessen Inhalt veröffentlicht die Polizei aus ermittlungstaktischen Gründen kaum Details. Chef-Ermittler Knut Packmohr gibt aber bekannt: "In den Briefen wird ein sehr egoistischer Charakter des Schreibers offenbar, da er mit keinem Wort Mitleid mit den Opfern erkennen lässt."

Der Verdächtige bestreite auch, dass er zwischen 1962 und 1970 vier weitere Frauen ermordet habe, wie es die Polizei glaubt. "Er fühlt sich falsch dargestellt, will nicht als ältester Serienmörder Deutschlands, als alt und gebrechlich dargestellt werden", berichtet Packmohr. Aufgrund seines Alters geht die Polizei nicht davon aus, dass der Verdächtigte noch gefährlich sein könnte. Wahrscheinlich sei er krank und lebe als unauffälliger Rentner in einem Altersheim.

Mehr als 40 Jahre nach dem Mord an der 13-Jährigen aus NRW scheint dem inzwischen alten Mann das Spiel, das er mit den Ermittlungsbehörden treibt, zu gefallen. Sein Brief an das BKA endet mit dem Satz: "Stellen möchte ich mich nicht."

(RP)
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