Rio de Janeiro Brasilien tanzt — trotz aller Not

Rio de Janeiro (RPO). Geldnot, weniger ausländische Gäste und Sparprogramme der Kommunen: die Finanzkrise macht sich auch im legendären brasilianischen Karneval bemerkbar. Doch die "Carnevalescos" lassen sich ihre gute Laune nicht vermiesen, auch nicht durch die gezielten Raubüberfälle auf ausländische Touristen in der vergangenen Woche.

So schön ist Karneval in Sao Paulo
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In Rio de Janeiro will man zumindest im Karneval nichts von den Problemen der Wirtschaftskrise wissen. "Der Karneval in Brasilien mit Sonne, Stränden, Samba und Mädchen wird strahlen, ob mit oder ohne Krise", sagt Cagiza Acides Paixao, der im Sambadrom von Rio de Janeiro ein Lokal betreibt. Auch Rios Bürgermeister Eduardo Paes wollte nicht über die Schwierigkeiten seiner Stadt reden.

Als Paes den riesigen Stadtschlüssel an den dicken Karnevalskönig "Momo" übergab, mochte er sich nicht zu zur Bandenkriminalität äußern. "Rio hat seine Probleme - und wir arbeiten daran, sie zu überwinden", sagte Paes. Am Mittwoch und Donnerstag waren in Billig-Hotels rund 50 Touristen ausgeraubt worden. "Solche Zwischenfälle sind ganz schlecht, aber die Polizei bemüht sich, die Verantwortlichen zu finden." Schmunzelnd fügte er hinzu, ab sofort sei "König Momo für alle Probleme der Stadt verantwortlich".

Seit Wochen beherrschen düstere Schlagzeilen die brasilianischen Zeitungen: Berühmte Sambaschulen haben kein Geld, um ihre Paraden für die Umzüge fertigzustellen. Mehrere kleinere Städte im Landesinneren haben ihre Karnevalsfeiern ganz abgesagt.

In diesem Jahr erwartet die Tourismusbehörde bei den rauschenden Paraden deutlich weniger Ausländer als in den Jahren zuvor. Ihr Anteil soll vermutlich von 50 Prozent auf etwa 30 Prozent sinken. Im Gegenzug werden aber mehr Besucher aus dem Inland erwartet, so dass die Gesamteinnahmen sogar leicht steigen könnten - die Stadt Rio hofft auf 521 Millionen Dollar nach 510 Millionen Dollar 2008.

Motivwagen mit Plastikflaschen gebaut

Die Sambaschulen hatten in diesem Jahr große Probleme, Sponsoren zu finden, um ihre im Durchschnitt 2,5 Millionen Dollar teuren Shows zu finanzieren, wie Cahe Rodrigues von der berühmten Gruppe Grande Rio sagt. "Die Künstler müssen ihre Anstrengungen verdoppeln, um ins Rennen um die Meisterschaft gehen zu können," erklärt Rodrigues, der bei Grande Rio für den Umzug zuständig ist. Zu seiner Show gehören in diesem Jahr mehrere hundert Trommler und eine 30 Meter hohe Nachbildung des Moulin Rouge. "Dieses Jahr zwingt die Carnavalescos dazu, ihre Fantasie einzusetzen."

Einige der besten Schulen griffen Berichten zufolge in diesem Jahr aus Kostengründen zu einfachem Baumaterial für ihre Motivwagen, anstatt diese wie sonst üblich pompös und verschwenderisch zu schmücken. Die Gruppe Imperio Serrano etwa baute für ihr Motto "Geheimnisse des Meeres" eine riesige Krake aus 5000 Plastikflaschen.

Thematisch wollen sich die Gruppen diesmal offenbar nicht auf Kontroverses einlassen und feiern unter anderem die Freundschaft zwischen Brasilien und Frankreich. Im vergangen Jahr hatte noch ein Motivwagen zum Thema Holocaust international für Empörung gesorgt.

"Die Party ist großartig, das Geld nicht mehr"

Die Besucher, die zum Teil schon vor Beginn der Feierlichkeiten am Freitag in Rio eintrafen, wollen sich von der Finanzkrise nicht schrecken lassen. "Karneval ist Karneval", sagte die 30-jährige Cristiane Estrello aus dem Süden des Landes. "Keine Krise der Welt kann das Feuer dieser Party auslöschen." Das Feuer wollen die Schulen trotz weniger Geld auch diesmal wieder mit viel nackter Haut, farbenfrohen Kostümen und feuriger Musik beweisen.

Doch zugleich stellen sich die Geschäftsleute wie Paixao auf einen Rückgang ihrer Einnahmen ein. "Normalerweise verdiene ich in den Monaten vor dem Karneval 3.000 Dollar zusätzlich", sagt er. Das Geld habe er immer für eine Reise nach Angola verwendet, um seine Familie zu besuchen. "In diesem Jahr stelle ich mich darauf ein, dass ich auf die Reise verzichten muss. Die Party hier mag immer noch großartig sein, aber das Geld ist es nicht mehr."

(AP)
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