Behörden über Lage in Russland besorgt Brände könnten Radioaktivität freisetzen

Moskau (RPO). Angesichts der verheerenden Waldbrände in Russland befürchten die Behörden, dass in Gebieten, die bei der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl vor knapp einem Vierteljahrhundert verstrahlt wurden, radioaktive Stoffe freigesetzt werden könnten.

Sommer 2010: Russland kämpft gegen Feuer und Rauch
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"Wir kontrollieren sorgfältig die Situation in der Region Brjansk, besonders im Süden im Distrikt Nowosybkow, der infolge der Tschernobyl-Katastrophe schwer verunreinigt wurde", sagte Katastrophenschutzminister Sergej Schoigu am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Moskau.

"Wenn dort ein Feuer ausbricht, könnten mit dem Rauch radioaktive Partikel emporsteigen" sagte Schoigu weiter. Die Region Brjansk, die im Westen Russlands an die Ukraine und Weißrussland grenzt, wurde im April 1986 durch die radioaktive Wolke aus dem Atommeiler Tschernobyl erheblich verseucht. Die Explosion des Reaktors ist die größte Reaktorkatastrophe der Geschichte. Dabei wurden große Teile Europas, vor allem aber die damaligen Sowjetrepubliken Ukraine, Weißrussland und Russland verstrahlt.

Brände unkontrollierbar

Bis zum Donnerstag starben nach offiziellen Angaben mindestens 50 Menschen in den Flammen. Zuletzt wurde eine Leiche in einem Dorf nahe der Stadt Nischni Nowgorod gefunden, und ein Mensch erlag seinen Verletzungen in einem Krankenhaus in Woronesch. Landesweit loderten fast 600 Brände, die meisten davon im europäischen Teil Russlands, wie das Ministerium für Notlagen mitteilte. Die Behörden räumten ein, dass die Rettungskräfte aus Feuerwehr, Soldaten und Freiwilligen im Kampf gegen die Flächenbrände nicht ausreichten.

Die Zahl der Feuerwehrleute in den Wald- und Torfmoorgebieten habe sich in den letzten Jahren halbiert, sagte ein Verwaltungsangestellter in dem Dorf Plotawa 60 Kilometer östlich von Moskau. "Es gab mal mehr, jetzt haben wir nicht genug." Einige Dorfbewohner setzten inzwischen auf Eigeninitiative, beispielsweise der 27-jährige Besitzer eines Autokinos. "Wir sind vor einigen Tagen aufgewacht und konnten nicht mehr atmen," sagte Alexander Babajew. Er mobilisierte über das Internet eine bunte Gruppe von Freiwilligen, holte sich Rat von Experten und begann dann selbst mit der Feuerbekämpfung.

Putin verspricht Opfern finanzielle Entschädigung

Dem Ministerium für Notlagen zufolge sind bereits Löschflugzeuge und -hubschrauber aus Italien, der Ukraine und anderen Ländern im Einsatz. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte am Mittwoch in einem Telefonat mit dem russischen Präsidenten Dmitri Medwedew deutsche Hilfe angeboten. Medwedew dankte nach Angaben der Bundesregierung für dieses Zeichen der Solidarität und sagte eine Prüfung der deutschen Hilfsangebote zu.

Bislang wurden mehr als 2000 Häuser durch die Brände zerstört. Ministerpräsident Wladimir Putin versprach den Opfern eine Entschädigung von umgerechnet je 5000 Euro. Die Summe liegt weit über dem monatlichen Durchschnittsverdienst von rund 600 Euro. Um die finanzielle Entschädigung zu bekommen, sollen einige Menschen ihre Häuser absichtlich angezündet haben, berichten russische Medien.

Unterdessen zog der dichte Smog um Moskau am frühen Donnerstagmorgen teilweise ab. Die Luftqualität könne sich aber wieder verschlechtern, warnten die Behörden. Im Osten konzentrierte sich die Feuerwehr auf die Bekämpfung der Flammen in der Nähe einer geheimen Atomforschungsanlage in der Stadt Sarow. Eine Nachrichtenwebsite der Stadt schrieb am Donnerstag unter Berufung auf Behördenvertreter, die Flammenwand sei in mehrere kleinere Brände aufgespalten worden.

Russland leidet seit Wochen unter einer Hitzewelle und Dürre. Der Juli war der heißeste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen vor 130 Jahren, und auch für die kommenden Tage wurde keine Wetterveränderung vorhergesagt.

(AFP/AP)
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