Polizisten in Amerika Bewaffnet wie für einen Krieg

Ferguson · Die Lage in Ferguson hat sich beruhigt. Geblieben sind Eindrücke wie aus einem Bürgerkrieg. Bis an die Zähne bewaffnete Polizisten, teils hoch aggressiv, ausgerüstet mit Helm, Gasmaske und Panzerfahrzeugen, die Waffe im Anschlag. Der Kampf gegen das Verbrechen hat manchen Ordnungshüter in einen Krieg gegen die eigene Gesellschaft geführt.

US-Polizei nutzt militärisches Gerät in Ferguson
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US-Polizei nutzt militärisches Gerät in Ferguson

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Nach bald 14 Tagen Unruhen in Ferguson hat sich die Lage in den USA wieder ein wenig beruhigt. Vor allem in Deutschland haben die Einsätze der amerikanischen Polizei einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Hierzulande gilt die Polizei — allen kritischen Berichten zum Trotz — immer noch als Freund und Helfer, als Partner der Bürger. Wer auf die USA blickt, erlangte zuletzt einen gegenteiligen Eindruck: Polizisten als Gegner. "Vollstrecker des Rechts", hieß es in einem Kommentar.

Für die Polizei in Ferguson waren die Ereignisse fraglos ein PR-Desaster. Gleich mehrere Vorfälle blieben an ihr haften:

Wie in einem Brennglas

Ferguson ist derzeit die Stadt, in der wie in einem Brennglas die Probleme zu beobachten sind, die sich im amerikanischen Polizeiwesen seit Jahren angesammelt haben. In den amerikanischen Medien wird immer wieder das Bild von "Kriegern" bemüht. Der mit großer Härte geführte Krieg gegen die Drogenbarone und die Aushöhlung bürgerlicher Rechte im Anti-Terrorkampf seit dem 11. September haben dazu beigetragen.

Auch die wachsende Brutalisierung der Zivilgesellschaft ist ein Faktor. Die Kriminalität wächst, tägliche sterben Menschen durch Waffengewalt. Die Polizei reagierte bisweilen mit dem Einsatz von Swat-Teams, kriegerisch ausgerüsteten Sondereinsatzkommandos. Schon mehrfach sind dabei Unschuldige ums Leben gekommen. So wie die der zwölffache Großvater Eurie Stamp, der gerade im Pyjama ein Baseball-Spiel verfolgte, als eine Swat-Einheit mit einem Sturmbock seine Haustür durchbrach.

Die Polizei nutzt aussortiertes Kriegsgerät

Militarisierte Auftritte wie die in Ferguson sind jedoch auch ein unheilvoller Effekt einer Sparmaßnahme des Pentagon. Immer öfter legen sich Polizeibehörden in den USA schwere Ausrüstung zu, die das Militär zu Schnäppchenpreisen aussortiert oder auch völlig umsonst abgibt. Eine sichere Vernichtung der Waffen würde nur zusätzliche Kosten verursachen.

Die Grundlage dafür bietet das sogenannte 1033-Programm des Pentagon. Mit dem schrittweisen Abzug aus dem Irak und Afghanistan sollte so überschüssiges Material an Strafverfolger in Gemeinden und Bundesstaaten abgegeben werden. Darunter sind Zelte, Generatoren und Geländewagen, aber auch Flugzeuge und Hubschrauber, Granatwerfer und Panzerwagen.

Panzerwagen auf dem Kürbisfest

432 Panzerwagen und knapp 94.000 Maschinengewehre landeten laut einer Zählung der "New York Times" bereits bei örtlichen und bundesstaatlichen Polizeibehörden. Nach Angaben des 1033-Programms wurde Ausrüstung im Wert von mehr als 4,3 Milliarden Dollar (3,2 Milliarden Euro) abgegeben, 450 Millionen Dollar allein im Jahr 2013.

Keene, eine Kleinstadt in New Hampshire mit drei Tötungsdelikten zwischen 1999 und 2012, gab knapp 286.000 Dollar für gepanzerte Transportwagen aus. Laut einem Bericht des "Economist" sagte der Polizeichef, er wolle damit das jährliche "Kürbisfest und andere gefährliche Situationen" überwachen.

Extrem unter Druck

In Ferguson wurde deutlich, unter welchem Druck US-Polizisten bisweilen stehen. Häufig werden sie angeschrien oder aggressiv bedrängt. Manche agieren deshalb nervös, fühlen sich akut bedroht, sobald eine unübersichtliche Situation auftritt. "Wenn sie Gewalt anwenden, dann um ihre eigene oder die öffentliche Sicherheit zu verteidigen", warb zuletzt in einem Zeitungsbeitrag Sunil Dutta, Professor für Heimatschutz in Colorado, für Verständnis.

Kein Polizist gehe auf die Straße, um jemanden zu erschießen, sei es eine bewaffnete oder unbewaffnete Person. In den meisten Fällen könnten die Polizisten nicht verhindern, dass eine Verhaftung in einer Tragödie ende, sondern die Menschen, die angehalten werden. Für Dutta ist die Sache daher klar: "Wenn Du nicht erschossen, mit Elektroschocks und Pfefferspray angegriffen, mit einem Knüppel geschlagen oder auf den Boden geschleudert werden willst, dann tue, was ich Dir sage", lautet sein Tipp.

Petition gegen Polizeigewalt

Die kriegerische Ausrüstung der US-Polizei steht jedoch längst auf der Agenda in Washington. Zuletzt hatte unter anderem Justizminister Eric Holder große Besorgnis geäußert: Der Einsatz militärischer Ausrüstung und Fahrzeuge sende eine widersprüchliche Botschaft. US-Bürger reichten eine Petition ein, nach der Polizisten Videokameras am Körper tragen sollen. Dies soll helfen, Polizeigewalt einzudämmen. Schon nach wenigen Tagen war das erforderliche Quorum von 100.000 Stimmen erreicht. Jetzt muss das Weiße Haus öffentlich darauf reagieren.

Mit Material von dpa

(pst)
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