Papst-Besuch in Frankreich Benedikt XVI. warnt vor "Kapitulation der Vernunft"

Paris (RPO). Papst Benedikt XVI. nutzt seinen ersten Besuch im streng laizistischen Frankreich, um vor einer Verdrängung des Glaubens aus dem öffentlichen und wissenschaftlichen Lebens zu warnen. Die Suche nach Gott habe die Kultur Europas begründet und bleibe auch heute Grundlage jeder wahren Kultur, sagte das Kirchenoberhaupt am Freitagabend in Paris vor rund 700 Vertretern des kulturellen Lebens in Frankreich.

Papst Benedikt XVI zu Besuch in Frankreich
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"Eine bloß positivistische Kultur, die die Frage nach Gott als unwissenschaftlich ins Subjektive abdrängen würde, wäre die Kapitulation der Vernunft, der Verzicht auf ihre höchsten Möglichkeiten und damit ein Absturz der Humanität", betonte Benedikt XVI. im College des Bernardins. An dem akademischen Vortrag, der auf den Tag genau zwei Jahre nach der Regensburger Rede stattfand, nahmen auch Repräsentanten der UNESCO, der EU und der muslimischen Gemeinschaft Frankreichs teil.

Absage an jegliche Art von Fundamentalismus

Der christliche Glaube verlange von sich aus eine "Kultur des Wortes", sagte der Papst unter Verweis auf die Mönche des Mittelalters. Dabei erteilte er jeder Art von Fundamentalismus eine Absage. Zugleich sei nach katholischem Verständnis auch "der Willkür der Subjektivität eine klare Grenze gesetzt". "Es wäre ein Verhängnis, wenn die europäische Kultur von heute Freiheit nur noch als Bindungslosigkeit auffassen könnte und damit unvermeidlich dem Fanatismus und der Willkür in die Hand spielen würde", sagte Benedikt XVI. "Bindungslosigkeit und Willkür sind nicht Freiheit, sondern deren Zerstörung."

"Kultur der Arbeit" als Grundlage des Abendlandes

Mit Blick auf das benediktinische Mönchtum hob der Papst weiter die "Kultur der Arbeit" als prägend für das Abendland hervor. Ohne sie seien "das Werden Europas, sein Ethos und seine Weltgestaltung nicht zu denken". Auch hier müsse der Mensch jedoch von Gott her Maß nehmen. "Wo dieses Maß fehlt und der Mensch sich selber zum gottartigen Schöpfer erhebt, kann Weltgestaltung schnell zur Weltzerstörung werden", mahnte der Papst.

Zu Beginn seiner Rede begrüßte das Kirchenoberhaupt die muslimischen Vertreter und dankte ihnen für die Teilnahme an dieser Begegnung. Damit verband er seine besten Wünsche für den Fastenmonat Ramadan. Als Vertreter Frankreichs nahmen die ehemaligen Staatspräsidenten Valery Giscard d'Estaing und Jacques Chirac an dem Vortrag teil.

Neue Definition der Trennung von Kirche und Staat

Bereits nach seiner Ankunft hatte Papst Benedikt XVI. eine stärkere gesellschaftliche Rolle der Religion eingefordert. Über die Trennung von Kirche und Staat müsse neu nachgedacht werden, sagte er zum Auftakt seiner ersten Frankreichreise am Freitag im Élysée-Palast. Er stellte sich damit ausdrücklich hinter die Idee eines "positiven Laizismus" von Staatspräsident Nicolas Sarkozy.

Die Trennung von Kirche und Staat sei zwar notwendig für die Religionsfreiheit und zur Sicherstellung der Verantwortung des Staates. Aber zugleich müsse die unverrückbare Rolle der Religion für einen ethischen Konsens der Gesellschaft klargestellt werden, forderte der Papst.

Für Benedikt ist es die erste Reise in die "älteste Tochter der katholischen Kirche", wie Frankreich genannt wird, seit seiner Wahl vor drei Jahren. Anlass seines Besuches ist das 150. Jubiläum der Marienerscheinungen in Lourdes. Nach einer Messe vor dem Pariser Invalidendom wollte der Papst am Samstag in den Wallfahrtsort in den Pyrenäen weiterreisen und dort mit den Pilgern Etappen eines Jubiläumsweges abschreiten und an der Grotte beten, an der Bernadette Soubirous Maria gesehen haben will.

Sarkozy wirbt für "positive Laizität"

Mit der Betonung der politischen Rolle der Religion hat Benedikt ein hoch sensibles Thema aufgegriffen. Seit 1905 sind Kirche und Staat in Frankreich strikt getrennt. Sarkozy hatte bei seinem Papst-Besuch im Dezember für Aufsehen gesorgt, als er die Bedeutung der christlichen Wurzeln für Frankreich betonte. Trotz scharfer Kritik im eigenen Land warb er am Freitag weiter für eine "positive Laizität", in der Kirche und Staat im Dialog stehen. "Insbesondere die christliche Religion ist ein lebendiges Erbe. Uns dessen zu berauben, wäre Wahnsinn, ein Angriff auf unsere Kultur und unser Denken", sagte er an der Seite des Papstes im Élysée-Palast.

Opposition warnt vor Vermischung von Staat und Religion

Die französische Opposition wirft Sarkozy vor, den Papstbesuch zur eigenen Profilierung zu nutzen und die laizistische Tradition zu verletzen. "Wir dürfen Staat und Religion nicht vermischen", sagte der Chef der Zentrumspartei Modem, Francois Bayrou. Der Papst sei kein Staatschef, deswegen sei der Empfang im Élysée-Palast wenig angebracht.

Als zweiter Papst nach Johannes Paul II. wird Benedikt von Samstag bis Montag Lourdes besuchen. Eine Messe am Sonntag gegenüber der Grotte, aus der das für viele Gläubige wunderwirkende Wasser sprudelt, bildet einen der Höhepunkte der Papstreise. "Wir reisen nicht nach Lourdes, um Wunder zu erwarten", sagte er am Freitag. "Die wahre Heilung kommt durch die Liebe Marias."

Insgesamt 500.000 Besucher werden während des knapp viertägigen Papst-Aufenthalts erwartet. 9.000 Sicherheitskräfte sind abgestellt, um für die Sicherheit des Kirchenoberhauptes zu sorgen. Die Erwartungen der französischen Katholiken sind hoch. "Bisher hat Benedikt bei uns noch ein Image-Problem", sagte der Pariser Erzbischof André Vingt-Trois. "Sein Besuch ermöglicht uns, seine Persönlichkeit, seine Stimme und seine Art kennenzulernen."

(afp)
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