Nach Ansteckung durch Nerze in Holland Beendet Corona die Pelztierzucht?

Amsterdam · In den Niederlanden mussten mehr als 500.000 Nerze getötet werden, um eine Corona-Ausbreitung zu verhindern. Auch die Nachfrage nach Pelzen ist eingebrochen. Geht die Pelzindustrie in Europa pleite?

 Ein Nerz in einem Zuchtgehege (Symbol).

Ein Nerz in einem Zuchtgehege (Symbol).

Foto: dpa/Holger Hollemann

Pelz ist ein heikles Produkt. Für die einen ist es ein Statussymbol und Luxus, für die anderen ein Zeichen von brutaler Tierquälerei. Die Pelztierfarmen halten sich aber bislang trotz vieler Proteste von Tierschützern. 2018 gab es laut dem europäischem Pelzverband Fur Europe 4350 Pelzfarmen in Europa mit einer Produktion von knapp 38 Millionen Fellen. Die Niederlande gehören zu den größten Produzenten von Nerz-Pelzen weltweit. 2019 wurden in den Niederlanden vier Millionen Nerze in rund 140 Farmen gehalten. Damit liegt das Land auf Platz drei der größten Pelz-Produzenten in Europa, nur in Polen (5,5 Millionen Tiere) und Dänemark (zwölf Millionen) wurden im gleichen Zeitraum mehr Tiere gezüchtet.

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Durch die Corona-Pandemie sind die niederländischen Pelzfarmen allerdings unerwartet in den Fokus gerückt. Der Grund: Das niederländische Landwirtschaftsministerium ordnete im Juni an, 570.000 Nerze von 13 Farmen töten zu lassen, das berichtet die Rundfunkanstalt Nederlandse Omroep Stichting (NOS). Eine Sicherheitsvorkehrung, nachdem im Mai bekannt geworden war, dass sich zwei Mitarbeiter in Nerzfarmen mit Corona angesteckt hatten. Die Tiere galten als Überträger. Diese Woche wurden erneut kranke Nerze in zwei Betrieben entdeckt. Es ist davon auszugehen, dass auch diese Tiere getötet werden müssen. Ähnliche Vorfälle gab es bislang in keinem anderen Land.

„Die Nachfrage nach Pelzprodukten geht nun weiter zurück, die Rohfellpreise fallen. Einige Betriebe gehen bankrott”, sagt ein Sprecher vom Deutschen Tierschutzbund. Damit verstärkt die Pandemie eine Entwicklung, die sich ohnehin seit einigen Jahren abzeichnet: „Die weltweite Produktion geht trotz hohem Niveau eher zurück. Seit 2014 hat weltweit eine deutliche Überproduktion an Fellen stattgefunden”, so der Deutsche Tierschutzbund. Seit Januar dieses Jahres wurden in Polen 65 Betriebe aus dem Verzeichnis der Pelzzüchter gestrichen, es gibt fast ein Drittel weniger als im Jahr 2016. In Dänemark spielt sich Ähnliches ab. Dort gingen im ersten Quartal 2020 offenbar sechs große Nerzfarmen pleite.

Der Verband Fur Europe wehrt sich gegen diese Darstellung und verweist vor allem auf die Reisebeschränkungen, die der Branche geschadet hätten. Man erwarte, dass der Markt sich im zweiten Halbjahr 2020 erhole, so ein Sprecher. Schlussfolgerungen über die Folgen von Covid-19 auf die Industrie seien verfrüht – unter anderem, weil Pelz vor allem in Winter verkauft werde.

Vor allem Tierschützer sehen in dieser Entwicklung die Chance, Pelzfarmen in Europa zumindest größtenteils den Garaus zumachen. „Jetzt könnten auch andere Länder erkennen, wie gefährlich es ist, wenn sich Krankheiten auf diesen Farmen ausbreiten und rechtzeitig darauf reagieren”, sagt Johanna Fuoß von der Tierrechtsorganisation Peta. „Letztlich sind Pelzfarmen ja auch nichts anderes als Lebendtiermärkte.” In Polen etwa würde derzeit über ein Pelzfarmverbot diskutiert. Auch in Estland hat die Corona-Gefahr solche Überlegungen angestoßen. In den Niederlanden ist die Pelztierzucht von Nerzen ab 2024 nach einem Gerichtsurteil verboten. Unter anderem durch Demonstrationen in Den Haag wollen die Tierschützer nun erwirken, dass das Verbot vorgezogen wird.

Auf Anfrage unserer Redaktion gab das niederländische Landwirtschaftsministerium an, darüber zu diskutieren, wie eine einmalige Hilfe für Pelzhändler aussehen kann, die vorzeitig aus der Branche aussteigen wollen. Ob dem viele nachkommen werden, ist fraglich. „Denn leider hat das Ministerium genehmigt, dass die Farmen nach den Corona-Säuberungsmaßnahmen wieder neu mit Nerzen bestückt werden dürfen“, heißt es beim Deutschen Tierschutzbund.

In Tschechien trat ein Pelzfarmverbot 2019 in Kraft, in Norwegen kommt es im Jahr 2025. In Deutschland gilt seit September 2017 das sogenannte Tiererzeugnisse-Handels-Verbotsgesetz. Seither ist die gewerbliche Pelztierhaltung nur noch möglich, wenn der Betreiber rigide Anforderungen an die Haltung der Tiere erfüllt. Die Auflagen sind allerdings so streng, dass die Zucht nicht mehr rentabel ist.

Tierschützer hoffen, dass ein Pelzfarm-Verbot in Europa die Preise auf dem Weltmarkt so in die Höhe treibt, dass sich die meisten keinen Pelz mehr leisten können. Experten befürchten dagegen, dass durch die Verbote in Europa in Russland mehr Tiere illegal gezüchtet werden könnten. Rund die Hälfte aller weltweit produzierten Felle stammt allerdings aus China. „Und darauf haben wir leider gar keinen Einfluss“, sagt Fuoß.

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