Weiter Aufregung um Marco W. Auswärtiges Amt moniert Zeitungsinterview

Frankfurt/Main (RPO). Das auch in der "Bild"-Zeitung zum Teil abgedruckte "Hürriyet"-Interview des seit Monaten in Antalya inhaftierten deutschen Schülers Marco W. hat das Auswärtige Amt auf den Plan gerufen. Das Ministerium monierte bei den zuständigen türkischen Behörden, dass der 17-Jährige ohne seine vorherige Zustimmung und ohne die Zustimmung seines Anwalts interviewt wurde, sagte ein Behördensprecher am Wochenende.

 Marco W. im Gefängnis begleitet von Justizbeamten.

Marco W. im Gefängnis begleitet von Justizbeamten.

Foto: AP

In dem Interview seien Äußerungen erschienen, mit denen sich der Jugendliche möglicherweise selbst belastet habe, kritisierte das Auswärtige Amt laut einem Bericht des Magazins "Spiegel". In dem Interview beteuerte der Schüler seine Unschuld. Zugleich schilderte er ausführlich, wie er die 13-jährige Charlotte aus Großbritannien, die ihn des sexuellen Missbrauchs beschuldigt, kennengelernt hatte und welche sexuellen Kontakte er mit ihr hatte.

Der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, der Freiburger Oberstaatsanwalt Christoph Frank, erklärte, die Aufregung um Marco W. sei nicht gerechtfertigt. Der Fall sei hier zu Lande offenbar falsch bewertet worden. In Deutschland würde bei einem solchen Geschehen "im Prinzip nichts anderes gelten" als in der Türkei, sagte Frank dem "Spiegel". Der Tatvorwurf der türkischen Behörden, mit einem 13-jährigen Mädchen sexuellen Kontakt gehabt zu haben, sei auch in Deutschland unabhängig davon strafbar, ob das Mädchen freiwillig mitmachte und ob es zum Geschlechtsverkehr kam. Wenn der Fall in Deutschland spielte, käme selbst bei einem Jugendlichen, wenn er seinen Wohnsitz im Ausland hat, "auch bei uns Untersuchungshaft wegen Fluchtgefahr in Betracht".

Der Leiter des Essener Türkei-Zentrums, Faruk Sen, rechnet mit einer baldigen Freilassung des Jugendlichen. "Der Junge kann vermutlich nach seinem Prozess am 6. Juli nach Deutschland zurückkehren", sagte Sen dem "Focus". Laut Sen habe der Schüler wegen sexueller Belästigung ohne Gewaltanwendung eine dreimonatige Haftstrafe zu erwarten. Da Marco die meiste Zeit abgesessen habe, könne nach türkischem Recht die Reststrafe in eine Geldbuße umgewandelt werden. "Die Türkei will die leidige Akte zügig schließen", meinte Sen.

Der Anwalt der 13-jährigen Charlotte M. aus Manchester, Ömer Aycan, will ein schnelles Ende des Verfahrens dagegen unbedingt verhindern, wie "Focus" weiter berichtete. Er wolle beim nächsten Prozess-Termin am Freitag die Fortdauer der Untersuchungshaft für den beschuldigten Marco beantragen. Die mutmaßliche Sexattacke sei "weit härter" abgelaufen als bislang bekannt, sagte Aycan dem Blatt: "Das war keineswegs so eine kindliche und unschuldige Angelegenheit, wie das nun dargestellt wird."

(ap)
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