21 Tote bei Explosion vor Kirche in Ägypten Ausschreitungen nach Anschlag auf Christen

Kairo (RPO). In der Silvesternacht haben Terroristen vor einer Kirche im ägyptischen Alexandria ein Blutbad angerichtet. Ein Sprengsatz detonierte, als die Gläubigen nach der Messe kurz nach Mitternacht auf die Straße traten, und tötete 21 Menschen. Fast 80 weitere wurden verletzt. Nach der Tat kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen. Präsident Husni Mubarak verurteilt den Anschlag und kündigte an, die Täter zu finden. Die Bundesregierung verurteilte die Tat.

Autobombe explodiert vor christlicher Kirche
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Fast 1000 Menschen hatten an der Messe teilgenommen. Nach dem Gottesdienst seien die Besucher auf die Straße geströmt, so der koptische Priester Mena Adel. "Ich war drinnen und habe eine starke Explosion gehört", sagte der Geistliche. "Menschen standen in Flammen." Augenzeugen berichteten, vor der Kirche hätten Leichen gelegen, zahlreiche Menschen seien verletzt worden. "Das letzte, was ich gehört habe, war eine starke Explosion und dann wurden meine Ohren taub", sagte ein 17-jähriger Kirchgänger, Marco Boutros, per Telefon aus dem Krankenhaus. "Ich konnte überall Körperteile sehen."

Ein Fotograf der Nachrichtenagentur AP sah, wie aufgebrachte Menschen in eine nahegelegene Moschee stürmten und Bücher auf die Straße warfen. Es kam zu Auseinandersetzungen, beide Seiten warfen Steine und Flaschen aufeinander. Die Polizei trennte die Menge.

Im Verlauf des Tages kam es zu weiteren Zusammenstößen. Polizisten feuerten mit Gummigeschossen und Tränengas auf junge Christen, die vor der Kirche und einem Krankenhaus in der Nähe Steine warfen. "Feige Terroristen - das Blut der Kopten ist nicht umsonst" riefen die Demonstranten. Mehrere der Christen erlitten nach Angaben eines Augenzeugen Verletzungen durch die Gummigeschossen.

Die Polizei erklärte zunächst, der Sprengstoff sei offenbar in einem geparkten Auto vor der Kirche versteckt gewesen. Das Innenministerium erklärte jedoch später, wahrscheinlich habe ein Selbstmordattentäter den Anschlag verübt. Es war der schwerste Anschlag auf Christen in Ägypten seit 1999.

Christen zweifeln an Ermittlungen

Mubarak versicherte, die Täter würden gefasst. "Wir werden die Hände der Terroristen abschneiden", kündigte er an. "Dieser terroristische Akt hat das Gewissen des ganzen Landes erschüttert." Ganz Ägypten sei Ziel gewesen, "der Terrorismus unterscheidet nicht zwischen Kopten und Muslimen".

In der christlichen Gemeinde schenkten viele diesen Worten keinen Glauben. Sie erklärten, die Polizei werde nicht angemessen ermitteln. Erzbischof Arweis sagte, die Polizei wolle einem Selbstmordattentäter die Schuld geben. So könne sie den Anschlag einem Einzeltäter zuschreiben. Er kritisierte zudem den mangelnden Schutz durch die Behörden. "Vor der Kirche standen nur drei Soldaten und ein Polizist", sagte er. "Warum gab es so geringe Sicherheitsvorkehrungen in einer Zeit, in der die Al Qaida so viele Drohungen ausspricht?"

Gouverneur gibt Al Qaida die Schuld

Zu der Tat bekannte sich niemand. Der Gouverneur von Alexandria, Adel Labib, gab umgehend dem Terrornetzwerk Al Qaida die Schuld an der Tat. Es blieb aber unklar, ob er dafür Beweise hatte. Möglicherweise versuchte der Gouverneur auch, die Spannungen zwischen Christen und Muslimen im eigenen Land herunterzuspielen. "Al Qaida hat mit Angriffen auf Kirchen in Ägypten gedroht", sagte er im Staatsfernsehen.

Im Nahen Osten kommt es immer wieder zu Angriffen und Anschlägen auf die christlichen Minderheiten. Die gleiche Kirche in Alexandria geriet bereits 2006 in die Schlagzeilen, nachdem ein Messerstecher Gottesdienstbesucher angegriffen hatte.

Zuletzt warfen Muslime in Ägypten der koptischen Kirche vor, zwei Frauen festzuhalten, die zum Islam übertreten wollten, um ihre Ehen scheiden lassen zu können. In den vergangenen Monaten nutzten Terrorgruppen mit Verbindungen zu Al-Kaida diese Anschuldigungen zum Vorwand für Anschläge auf Christen im Irak. Die Kirche erklärte, die Frauen würden nicht gegen ihren Willen festgehalten.

Bundesregierung bestürzt

Die Bundesregierung hat den Terroranschlag auf Christen im ägyptischen Alexandria als Akt der Brutalität verurteilt. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) äußerte sich am Samstag in Berlin bestürzt. Westerwelle erklärte, er verurteile den brutalen Angriff gegen Menschen, die mit einer Messe friedlich das neue Jahr begehen wollten, auf das Schärfste. "Das zynische Vorgehen der Attentäter zeigt, wie notwendig es ist, entschlossen gegen Terrorismus und religiöse Intoleranz vorzugehen", ergänzte er.

Papst Benedikt XVI. hat in seiner Neujahrspredigt zu stärkerem Schutz religiöser Minderheiten vor Intoleranz, Unterdrückung und Gewalt aufgerufen und Religionsfreiheit weltweit gefordert. Derzeit hätten vor allem Christen unter Diskriminierung zu leiden. Dieses Leid dürfe nicht zu Mutlosigkeit und Resignation führen, sagte der Papst am Samstag in seiner Predigt. Unter den Gläubigen im Petersdom waren rund 3.000 Mitgliedern von Jugendchören aus verschiedenen Ländern.

Das Kirchenoberhaupt mahnte, die Menschheit könne sich nicht mit der "negativen Kraft des Egoismus und der Gewalt" abfinden, die die Zukunft ganzer Völker gefährde. Religionsfreiheit sei "unverzichtbarer Bestandteil jedes Rechtsstaates". Wer dieses Grundrecht leugne, stelle zugleich die Menschenrechte insgesamt in Frage, warnte der Papst. Die Religionsfreiheit sei deren "Gipfel und Zusammenfassung".

Auseinandersetzungen kommen häufig vor

Die Kopten sind die größte christliche Glaubensgemeinschaft im Nahen Osten. Sie machen bis zu zehn Prozent der 80 Millionen Einwohner im überwiegend muslimischen Ägypten aus und sehen sich im Alltag Diskriminierungen und Benachteiligungen ausgesetzt. In den vergangenen Jahren gab es in verschiedenen Teilen Ägyptens immer wieder tödliche Auseinandersetzungen zwischen Kopten und Muslimen. Vor knapp einem Jahr hatten Terroristen zum koptischen Weihnachtsfest am 6. Januar im mittelägyptischen Nag Hammadi acht koptische Gläubige und einen muslimischen Wachmann erschossen. Auch damals kam es zu wütenden Protesten der christlichen Bevölkerung und zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. In den vergangenen Monaten kam es in mehreren Ländern des Nahen Ostens zu Anschlägen, die sich gezielt gegen Christen richteten.

(AFP/AP/fb)
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