Giftmord mit Polonium Augenzeuge schildert letztes Treffen Litvinenkos

London (RPO). Gut acht Monate nach dem Giftmord an Alexander Litvinenko in London hat ein Augenzeuge das letzte Treffen des russischen Ex-Spions mit seinen mutmaßlichen Mördern geschildert. Norberto Andrade, Chef-Barmann der Pine Bar des Londoner Millennium-Hotels, sagte der britischen Boulevardzeitung "The Sunday Telegraph", er vermute, dass das tödliche Polonium in den Tee gesprüht wurde.

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Foto: AFP

Er sei vermutlich im entscheidenden Augenblick abgelenkt worden, als Litvinenkos Begleiter dessen Tee vergiftet hätten. "Als ich Gin und Tonic an den Tisch brachte, wurde mir die Sicht genommen. Ich konnte nicht sehen, was geschah. Aber die Ablenkung wirkte sehr gezielt. Es war schwierig, das Getränk abzustellen", sagte der 67-Jährige dem Blatt.

Andrade, der seit 27 Jahren in der Bar arbeitet, erinnerte sich, dass es der einzige "unangenehme Moment" war und offenbar "irgendetwas vor sich ging". "Ich glaube, dass das Polonium in die Teetasse gesprüht wurde." Später sei ihm die "seltsame Farbe" des übrig gebliebenen Tees aufgefallen. "Der Tee war gelber als üblich und dickflüssiger - er wirkte klebrig", sagte Andrade dem Blatt. Er habe die Flüssigkeit aus dem Ausguss geschöpft und in den Abfall geworfen. Jetzt sei er heilfroh, dass er nicht seine Finger hineingesteckt habe.

Litvinenko hatte sich am 1. November 2006 mit dem ehemaligen KGB-Mann Andrej Lugowoj und dem russischen Geschäftsmann Dimitri Kowtun in der Bar getroffen. Rund drei Wochen später starb Litvinenko an einer tödlichen Dosis des radioaktiven Stoffes Polonium 210. Analysen in der Pine Bar ergaben eine geringe Polonium-Vergiftung des gesamten Bar-Personals, darunter auch bei Andrade, sowie Spuren am Mobiliar, einem Bild über Litvinenkos Sitzplatz und auf dem Teppich. Das erhärtet laut Ermittlern den Verdacht, dass das Gift gesprüht wurde.

Großbritannien hatte dem Dissidenten Litvinenko politisches Asyl gewährt. Die Affäre zog erhebliche diplomatische Verstimmungen zwischen London und Moskau nach sich. Gegen Lugowoj beschloss Großbritannien im Mai Anklage zu erheben. Der bestreitet jedoch, etwas mit dem Tod des Kreml-Kritikers zu tun zu haben. Moskau verweigerte Lugowojs Auslieferung und warf London vor, eine politische Kampagne zu führen. Medienberichten zufolge erwägt die britische Regierung wegen der Haltung Moskaus die Ausweisung russischer Diplomaten.

(afp)