Feststeckende Südpol-Forscher halten sich fit Der Tanz auf dem südlichen Polareis

Sydney · Was tun bei Minusgraden in der Antarktis, wenn weit und breit nur Eis und ein paar Pinguine zu sehen sind? 74 Menschen sitzen seit dem ersten Weihnachtstag an Bord des Forschungsschiffs "MV Akademik Shokalskiy" im Polareis fest.

Immerhin haben sie 71 Meter Schiff, zwei Decks, ein Kino, eine Bücherei, eine Bar. Und jede Menge gute Laune, wie Passagiere per Video-Link versichern. "Hallo Mama und Papa, ihr habt's bestimmt gehört: Wir sitzen ein bisschen im Eis fest, aber macht euch keine Sorgen", erzählt zum Beispiel Patrick Bevan am Sonntag. "Wir waren heute auf dem Eis, der Trainer hat einen Parcours eingerichtet, so konnten wir ein bisschen rumrennen - ihr seid sicher froh zu hören, dass ich mich fit halte."

Alicia Guerrero geht auf Tuchfühlung mit den Pinguinen: "Es geht uns so fantastisch gut hier, ich habe schon Millionen von Fotos gemacht", erzählt sie fröhlich. "Spektakulär ist es, eine magische Winterlandschaft!", begeistert sich Nicole de Losa. "Die Stimmung an Bord is fantastisch, wir tanzen auf dem Eis!" An Bord sind neben Crew und Wissenschaftlern auch 26 Touristen. Für sie wird das fünfwöchige Polarerlebnis zum echten Abenteuer.

Oberster Stimmungsmacher an Bord ist Expeditionsleiter Chris Turney. Er twittert, emailt, spricht über Satellitentelefon mit der Welt und legt den Enthusiasmus eines Kindes im Vergnügungspark an den Tag. Kein Wunder: Der Klimaforscher ist in seinem Element. Die Expedition ist auf den Spuren des Polarforschers Douglas Mawson unterwegs, und Turney unternimmt eine Reihe wissenschaftlicher Experimente, um dessen damalige Messungen zu überprüfen.

Die wunderbare Welt der Antarktis

 Die Mannschaft der "Akademik Shikalskiy" posiert in der Antarktis neben einem künstlichen Tannenbaum.

Die Mannschaft der "Akademik Shikalskiy" posiert in der Antarktis neben einem künstlichen Tannenbaum.

Foto: dpa

Der fröhliche Australier hat aber ein größeres Anliegen: Er will der Welt die wunderbare Natur der Antarktis nahebringen. Deshalb hat er von Anfang an alle technischen Raffinessen genutzt, um Pantoffel-Abenteurer, die die Expedition nur am Bildschirm verfolgen, so nah wie möglich heranzuholen. Die Publicity um das im Eis gestrandete Schiff ist für ihn eigentlich perfekt.

 Der chinesische Eisbrecher "Snow Dragon" sollte den Eingeschlossenen eigentlich zu Hilfe kommen - konnte jedoch die Eisdecke nicht durchbrechen.

Der chinesische Eisbrecher "Snow Dragon" sollte den Eingeschlossenen eigentlich zu Hilfe kommen - konnte jedoch die Eisdecke nicht durchbrechen.

Foto: afp, STRINGER

Allerdings hat sich die Lage seit Heiligabend, als sich der Eisring um die "Shokalskiy" schloss, deutlich verschlechtert. Erst waren es nur zwei Kilometer Eis, die das Schiff vom offenen Meer trennten - ein Klacks für jeden Eisbrecher. Dann waren es über Nacht plötzlich 20 Kilometer Eis. Auch kein Problem, tönte Turney fröhlich von Bord, denn da sichtete er die vermeintliche Rettung schon am Horizont: in Form des chinesischen Eisbrechers "Snow Dragon".

 Das ist "MV Akademik Shokalskiy".

Das ist "MV Akademik Shokalskiy".

Foto: dpa, Wikipedia, DiedrichF

Doch musste selbst das für harscheste Bedingungen gebaute Schiff angesichts der wachsenden Eisdecke sechs Kilometer vor dem Ziel aufgeben. "Das Wetter ist extrem hier", räumte Turney ein. Ein zweiter Eisbrecher brach seinen Rettungsversuch daraufhin schon in meilenweiter Entfernung ab. Blieb noch der alarmierte Eisbrecher "Aurora Australis". Wenn der es auch nicht schafft, soll der Hubschrauber des chinesischen Eisbrechers die Leute herausholen.

"Das wäre aber nur der allerletzte Ausweg", sagt Turney. "Wir haben jede Menge Brennstoff und frisches Essen für zwei Wochen an Bord", versichert er. "Und für weitere sechs Wochen köstliche Trockenmahlzeiten." So lange dürften die Behörden die Expedition nicht im Eis sitzen lassen. Das Schiff sollte am 6. Januar wieder in Bluff in Neuseeland sein. Nach dem Tanzen war Singen auf dem Eis geplant. Vielleicht erweicht das ja den Wettergott.

Knacken und rammen

Eisbrecher schaffen eine Fahrrinne im Eis, damit andere Schiffe Seewege, Flüsse und Häfen benutzen können. Eisbrecher haben einen besonders stabilen Bug. Das Spezialschiff schiebt sich auf die Eisdecke und bricht sie mit Masse und Gewicht auf. So friert die Eisrinne nicht sofort wieder zu. Die Außenhaut von Eisbrechern ist besonders dick und belastbar, die Motorleistung groß.

Im Jahr 1871 begann der Bau von Eisbrechern in Deutschland. Große russische Eisbrecher werden auch mit Kernenergie angetrieben. Das Schiff "Polarstern" ist ein bekannter deutscher Eisbrecher, den das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven betreibt. Die "Polarstern" ist laut Institut eines der weltweit leistungsfähigsten Polarforschungsschiffe.

Es kann bis zu anderthalb Meter dickes Eis durchfahren. Wenn die Eisdecke stärker ist oder sich Schollen meterhoch türmen, bahnt sich das Schiff einen Weg durch dünnere Stellen und Risse. Wenn auch das nicht mehr geht, hilft nur noch rammen: Das Eis wird mehrfach mit voller Leistung angefahren und durchbrochen. Das kann tagelang dauern. "Polarstern" überwintert bei Bedarf im Eis der Polarmeere.

In einem Interview 2012 sagte "Polarstern"-Kapitän Uwe Pahl, dass es schwierig sei, einen Grenzwert für die Eisdicke zu nennen. Der Grund: Das Eis des Meeres verändere sich beispielsweise wegen der Winde und Gezeitenbewegungen immer wieder.

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort